Jede Woche eine Kreditkarte. So viel Plastik nehmen wir in 7 Tagen auf: 5 Gramm! Plastik aus Lebensmitteln, Luft und Wasser. Einiges davon landet im Blut, im Gehirn, in der Leber und in anderen Organen. Auch in den Hoden fanden Wissenschaftler Mikroplastik. Über abnehmende Fruchtbarkeit brauchen wir uns daher nicht zu wundern, nachdem wir schon mit einem steigenden Demenzrisiko leben müssen.
Das gesamte Zentralnervensystem ist durch die Blut-Hirn-Schranke (BHS) vom übrigen Organismus abgegrenzt. Diese, auch als „Hirnhäute“ bezeichnete Barriere, schützt das Gehirn vor dem Eindringen giftiger Stoffe. Doch der Filter ist dem Nanoplastik offenbar hilflos ausgeliefert. Solche Partikel konnten Forscher in unserem Zentralnervensystem nachweisen. Diese winzigsten Plastikteile entstehen aus dem Mikroplastik, das in der Umwelt zu immer kleineren Stückchen zerrieben wird. Mikroplastik erfreut sich reichhaltiger Nutzung in etlichen Konsumprodukten und anderen Anwendungen. Im Beitrag Plastik in der Atemluft und in Organen – Unsere Körper werden zu Plastik können Sie mehr darüber erfahren.
Auch die Hoden der Säugetiere sind durch eine molekulare Barriere vom übrigen Organismus abgetrennt. Diese Blut-Hoden-Schranke (Blood-Testis Barrier, BTB) ist innerhalb der Fortpflanzungsorgane angeordnet und schützt die Urgeschlechtszellen. Damit soll die Funktionstüchtigkeit der Spermien gesichert werden, denn Mutationen und Chromosomenschäden würden sich fatal auswirken.
Mikroplastik-Partikel können in den Hoden als Gesamt-Organ eindringen. Belegt ist das schon in einer Studie aus 2023, in der die Autoren von Plastik-Teilchen in menschlichen Hoden und Samen-Proben berichten. Die Partikel aus PS (Polystyrol), PET (Polyethylen) und PVC (Polyvenylchlorid) hatten im Mittel eine Größe von 21,76 μm (Mikrometer) bis 286,71 μm. Die höchste Zahl der gefundenen Plastik-Teilchen belief sich auf über 15 Partikel pro Gramm Hodengewebe (Detection and characterization of microplastics in the human testis and semen).
Einige US-Toxikologen wollten das nachprüfen und nahmen Proben aus den Hoden von 47 Hunden und 23 Männern. Darin fanden die Forscher 12 Arten von Mikroplastik in einer durchschnittlichen Menge von 328.44 µg/g (Mikrogramm pro Gramm) im Menschenhoden und 122.63 µg/g in den Hunde-Proben. Die Plastik-Partikel aus den Hoden und Nebenhoden bestanden überwiegend aus PET (Polyethylen) und PVC (Polyvenylchlorid). Die Toxikologen konnten die Spermienzahl in den menschlichen Hoden zwar nicht ermitteln, wohl aber in den Hundehoden. Dabei kam heraus, dass die Spermienzahl umso niedriger ausfiel, desto größer die Menge des PVCs war (Microplastic presence in dog and human testis and its potential association with sperm count and weights of testis and epididymis). Höchstwahrscheinlich dürfte das beim Menschen nicht anders sein.
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Kunststoffweichmacher sind das Problem
Nano- und Mikroplastik in den Hoden bedeuten aber noch nicht, dass die Teilchen über die BTB zu den Urgeschlechtszellen vordringen. Doch gelöste Verbindungen können das sehr wohl. Im Plastik sind stets auch Kunststoffweichmacher enthalten, die durch biologische Membranen hindurch diffundieren. Zu diesen Chemikalien zählen Bisphenol A (BPA) und Phthalate, die emsig in den Entstehungsort der Keimzellen einsickern. Denn, wenn sich Mikro-Plastik einmal im Hoden ablagert, befindet es sich auch in unmittelbarer Nähe zur BTB.
Nun höre ich schon Einwände, die Konzentrationen werden schon so hoch nicht sein, dass sie Schaden anrichten. Doch die Kunststoffweichmacher gehören zu den Disruptoren, die Hormone in ihrer Wirkung nachahmen. Und die biologischen Botenstoffe wirken bekanntlich bereits in kleinen Mengen. Das ist der Grund, warum wir uns schon Sorgen machen sollten, wenn Plastikweichmacher in den Fortpflanzungsorganen auftauchen. Von 1973 bis 2018 ging die Spermienkonzentration im Ejakulat um 51,6 % zurück. Die Gesamtspermienzahl aus 2018 betrug nur noch 62,3 % der von 1973 (Temporal trends in sperm count: a systematic review and meta-regression analysis of samples collected globally in the 20th and 21st centuries). Zugegeben, das ist noch kein Beweis dafür, dass dies an den künstlichen Disruptoren liegt. Aber ein Zusammenhang scheint vorzuliegen. Nicht ohne Grund warnt die US-amerikanische CDC (Centers for Disease Control ) vor der zunehmenden Kontamination des Körpers mit Phthalaten (Phthalates Factsheet).
Kunststoffweichmacher schaden dem Menschen schon im Mutterleib
Die vielfältigen Gesundheitsschäden durch Kunststoffweichmacher fasst ein Artikel in Scientific American zusammen: Übergewicht, Metabolisches Syndrom, Autismus, Krebs und Fehlgeburten (Reproductive Problems in Both Men and Women Are Rising at an Alarming Rate). Viele dieser Erkrankungen und Störungen sind offenbar die Spätfolgen einer Intoxikation während des Heranreifens im Mutterleib. Mikro-Plastik dürfte dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.
Der negative Einfluss der Phthalate auf die männliche Fruchtbarkeit kann als sicher gelten, wie wir spätestens seit 2009 wissen (Environmental phthalate exposure in relation to reproductive outcomes and other health endpoints in humans). Ein Indikator für die Zeugungsfähigkeit bei Säugetieren und daher auch beim Menschen ist der sogenannte „anogenitale Abstand“ (Anogenital Distance, AGD). Das ist der Abstand zwischen Anus und Geschlechtsöffnung der Frau, beziehungsweise dem Ansatz des Hodensackes beim Mann.
Je kürzer der AGD ist, umso schlechter ist die Fortpflanzungsfähigkeit eines Mannes. Denn der anatomische Marker hängt mit der Produktion androgener Hormone in der Schwangerschaft zusammen. Hinzu kommen oft ein zu kleiner Penis und nicht vollständig abgesenkte Hoden (Shorter Anogenital Distance Predicts Poorer Semen Quality in Young Men in Rochester, New York). Ein zu kleiner AGD und die anderen Begleiterscheinungen können schon als Fehlbildungen bezeichnet werden. Dafür hat sich sogar der Begriff „Phthalat-Syndrom“ eingebürgert (Ordinal dose-response modeling approach for the phthalate syndrome). Man beachte: Die Verseuchung mit Kunststoffweichmachern, die sich durch Mikro-Plastik in den Hoden anreichern, hat ein neues Krankheitsbild hervorgebracht.
Fast wie eine Geschlechtsumwandlung
Zu den Disruptoren in Mikroplastik wie Phthalate und BPA gesellen sich weitere Hormon-Nachahmer aus der Umwelt hinzu: Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) in Textilien, diverse Flammschutzmittel und einige Pestizide. Während wir noch wenig über Disruptoren wissen, die andere Stoffwechsel-Prozesse beeinflussen, ist die xenoöstrogene Wirkung der Kunststoffweichmacher zur Genüge bekannt. Gemeint ist damit, dass eine Chemikalie an die Östrogen-Rezeptoren im Hormonsystem andockt. Der Effekt der künstlichen Verbindung ist dann fast der gleiche wie der des „weiblichen“ Geschlechts-Hormons (Östrogen).
Dieser Botenstoff reguliert wie verwandte Effektoren die Sexualfunktion und die Ausprägung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale. Ein Östrogen-Überschuss führt beim Mann zu einer gewissen „Verweiblichung“, die nicht unbedingt erwünscht ist, es sei denn, ein Mann beabsichtigt eine Geschlechtsumwandlung.
Doch die künstliche Östrogen-Flut hat noch andere höchst unangenehme Folgen. Die, vornehm „Östrogen-Dominanz“ genannte Bedrohung, kann höchstwahrscheinlich Bauchspeicheldrüsen-, Leber- und Brustkrebs auslösen (Derivatives of Plastics as Potential Carcinogenic Factors: The Current State of Knowledge, Stop eating plastic, molecular signaling of bisphenol A in breast cancer).
Was kann man außer Mikro-Plastik vermeiden sonst noch tun?
Es ist nicht so einfach, der Mikro-Plastik-Flut zu entkommen. Einige Tipps dazu finden Sie im Beitrag Plastik in der Atemluft und in Organen – Unsere Körper werden zu Plastik. Kunststoffverpackungen aller Art, wie auch Plastikflaschen, kommen dann nicht mehr in den Einkaufswagen. Einige mehrfach ungesättigte Fettsäuren (Omega-6-Fettsäuren) sollten nur spärlich verzehrt werden. Linolsäure gehört am besten gar nicht zum Speiseplan.
Diese Fettsäuren verstärken die negativen Auswirkungen der Kunststoffweichmacher, weil sie ebenfalls xenoöstrogene Effekte ausüben. Ungünstig sind auch die Parabene in zahlreichen Kosmetika, die ähnlich wirken.
Einige Ärzte empfehlen gegen die Risiken durch Xenoöstrogene eine Art „Hormon-Ersatz-Therapie“. Dabei geht es um die Zufuhr von Progesteron. Dieses „weibliche“ Hormon ist ein Gegenspieler des Östrogens. Progesteron soll den Überschuss von Östrogen kompensieren.
Progesteron ist in Kapselform und als Gel auf dem Markt. Das Gel wird auf die Haut oder die Schleimhäute aufgetragen (Zahnfleisch, Vagina) und sollte zur besseren Resorption mit Vitamin E kombiniert verabreicht werden. Der Vitalstoff sollte dann kein synthetisches Alpha-Tocopherolacetat sein. Besonders effektiv sind nur Kombi-Präparate aus 8 Tocopherolen und Tocotrienolen, die in MCT-Öl gelöst sind. (MCT: Medium-Chain Tiglycerides, Mittelkettige Triglyceride, MKT). Vitamin E hemmt die Östrogen-Synthese auch direkt.
Besser als noch ein Hormon einzunehmen ist allerdings eine Ernährung, die auf eine Harmonisierung des hormonellen Gleichgewichts abzielt. Alle Kohlsorten und Leinsamen kommen dann öfter auf den Teller. Präparate von Löwenzahnwurzeln und Mariendisteln unterstützen die Leber-Funktion, wodurch der Hormon-Haushalt ebenfalls günstig beeinflusst wird.
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Beitragsbild: pixabay.com – stux
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