Lymphödem und Lymphstau: Formen, Diagnose und Therapie

Der menschliche Organismus ist mit Lymphbahnen durchzogen, die parallel zum venösen System verlaufen. Sie beginnen blind in der Peripherie, wo sie Gewebswasser (interstitielle Flüssigkeit) aufnehmen. Das flüssige Milieu zwischen den Zellen der verschiedenen Gewebe ist zellulärer Herkunft sowie ein Ausscheidungsprodukt der Blutkapillaren.

Die gelösten Verbindungen darin sind einerseits Nährstoffe und Mineralien, andererseits auch feste Bruchstücke von Körperzellen, Viren und Bakterien sowie Schlacken aus dem Stoffwechsel und andere Gifte. Die Lymphgefäße des Darmes, besonders des Dünndarmes, transportieren Fette in Gestalt von Chylomykronen.

Das sind Partikel aus Cholesterin, Phospholipiden und Fetten. Am Verdauungstrakt ist der größte Anteil der Lymphgefäße und Lymphknoten angesiedelt. Die kapillargroßen Venen (Venolen) sind nicht in der Lage, diese Teilchen aufzunehmen.

Die hellgelbe Lymphe wird dann stromaufwärts in immer dicker werdenden Lymphgefäßen zu den rund 600 Lymphknoten geleitet. Diese Sammelstellen sind Filteranlagen, in den auch weiße Blutkörperchen heranreifen. Deswegen kann das Immunsystem hier auf Krankheitserreger und auch Krebszellen zugreifen. Neben Abfallstoffen und unbrauchbaren, schädlichen Substanzen befördert das Lymphsystem auch Hormone.

Von den Lymphknoten fließt die gesäuberte Lösung zunächst in einen Zwischenspeicher, der hinter dem Magen liegt (Cisterna chyli). Daran schließt sich der Ducus thoracicus an, der direkt in den Venenwinkel einmündet, in dem zwei Venen zusammenlaufen: die Schlüsselbeinvene und die Drosselvene.

Die größeren Lymphgefäße sind von Muskelfasern umgeben, die wie eine Pumpe arbeiten. Wichtig für den kontinuierlichen Strom sind aber auch sämtliche Muskelbewegungen. Gehen, Laufen und sportliches Training fördern den Lymphfluss ebenso wie die tiefe Bauchatmung, die durch das Zwerchfell bewerkstelligt wird.

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Nahezu zwei Liter Lymphe werden täglich transportiert. Ist das System gestört, kommt es zu einer Stauung dieser Flüssigkeit, v.a. in den rumpffernen Gebieten, die sich in Form von Ödemen zeigt. Der Flüssigkeitstau bremst auch den Blutfluss, sodass Herz und Kreislauf stärker belastet werden.

Lymphstau und Lymphödem

Ein Lymphstau bzw. Lymphödem ist relativ selten und zeigt sich meist bei Frauen (ca. neun Mal häufiger als bei Männern). Das im Verhältnis eher auftretende Lymphoedema praecox beschreibt ein Lymphödem im jungen Lebensalter (zwischen dem 15. und 20. Jahr). Daneben kommt es in Einzelfällen zu Lymphstauungen nach dem 35. Lebensjahr (= Lymphoedema tardum).

Der Stau kann eine bestimmte Körperregion (z.B. Arm oder Bein) betreffen oder sich aber generalisiert am gesamten Körper zeigen. Durch den Stau der meist eiweißreichen Flüssigkeit kommt es zu einer sichtbaren Schwellung, die, neben einer Volumenzunahme, durch den ansteigenden Druck auch zu einer Schädigung der hier liegenden Zellen und Leitungsbahnen führt.

Das durch den Lymphstau entstehende Ödem kann sowohl angeborene als auch erworbene Ursachen haben. Das primäre Lymphödem entsteht u.a. durch Veränderungen von Lymphgefäßen (Fehlanlage bereits im Mutterleib) oder der Lymphflüssigkeit, die sich durch angeborene Defekte entweder spontan oder in Kombination mit einer anderen Erbkrankheit zeigen.

Das sekundäre Lymphödem entsteht als Folge einer Erkrankung oder Verletzung und zeigt sich doppelt so oft wie das angeborene Lymphödem. Diese erworbene Form findet sich v.a. nach Brustkrebs-Operation, bei Morbus HodgkinLeukämie, Entzündungen der Lymphbahnen, Erkrankungen kleiner Blutgefäße, InfektionenKnochenbrüchen und Verstauchungen.

Das klinische Bild variiert und ist abhängig vom Typ. Ödeme können sich auf eine Körperseite beschränken oder auch die Gegenseite in Mitleidenschaft ziehen, wobei sie fast immer schmerzlos sind. Die angeborene Form beginnt meist in der Peripherie im Bereich des Fußes oder der Hand und aszendiert zur Körpermitte hin, erworbene Ödeme gehen meist vom Rumpf aus und deszendieren zu den Extremitäten.

Die primären Anzeichen sind z.T. unspezifisch, häufig sind die Beine betroffen. Es kommt zu einem Druck- oder Spannungsgefühl, leichtem Kribbeln, Stichen, Taubheit und einer raschen Ermüdbarkeit der betroffenen Extremität. Zusätzlich schwillt das Gewebe an, die Haut wird prall, hart, verfärbt sich (meist dunkel) oder weist Läsionen (auch Entzündungen) auf, die Poren vergrößern sich.

Die durch das Lymphödem verursachten Störungen lassen sich in vier Schweregrade unterteilen.

Während Stadium 0 keine Schwellung aufweist, zeigt sich diese in allen nachfolgenden Stadien. Stadium I ist gekennzeichnet durch ein reversibles Ödem, welches durch einfache Maßnahmen (z.B. Hochlagern der betroffenen Extremität) wieder verschwindet. Stadium II zeigt eine Schwellung, bei der das Gewebe hart und prall gespannt ist, es kommt zu einer Bildung von überschüssigem Bindegewebe (Fibrose), das Ödem bleibt auch bei Hochlagerung vorhanden. In Stadium III ist die Haut stark geschädigt und verhärtet, es bilden sich starke Wülste mit grober Struktur, die zu Entzündungen, Krusten oder Nekrosen neigen (Elephantiasis).

Diagnose

Meist reicht zur Diagnose die Inspektion der betroffenen Region aus. Der Patient klagt zudem über Abgeschlagenheit („Fatigue“, „Brain Fog“), ständige Infektionskrankheiten und zeigt Merkmale chronischer Entzündungen. Auch kann er in letzter Zeit etwas zugenommen haben.

Zur Unterscheidung vom venösen Ödem dient das Stemmer-Zeichen (positiv, wenn die Haut auf den Zehen oder Fingerrücken nicht mehr zur Falte angehoben werden kann). Zusätzlich erfolgen Laborauswertung (Laborwerte), Ultraschall und Szintigraphie der Lymphbahnen.

Die Therapie beim Lymphstau und Lymphödem

Die wirksamste Therapie ist die Lymphdrainage (kontraindiziert bei Herzkrankheiten, Zellulitis, Thrombosen in der Krankheitsgeschichte und akuten Entzündungen sowie Nervenläsionen). Vor der Anwendung ist der Patient gehalten, genug Wasser zu trinken.

Die Massagetechnik besteht aus 5 bis 15 sanften, kreisenden Streichbewegungen vorzugsweise der 6 Körperstellen mit vielen Lymphknoten: seitlicher Hals, Kiefergelenk, Achselhöhlen, Bauch, Leisten und Kniegelenk.

Die vorsichtig knetenden Bewegungen gehen stets vom Körperrand hin zum Körperzentrum. Mit Streichbewegungen wird die Lymphe vom Volumen mit niedrigem Druck gegen den höheren Druck angeschoben. Die Flüssigkeit soll in die Cisterna chyli und schließlich in den Ductus thoracicus gelangen, um von den Venen aufgenommen zu werden.

Am Kopf beginnt die Lymphmassage an der Stirn mit Streichungen hin zu den Schläfen. Dabei werden nur zwei Finger benutzt, ebenso wie an den Halsseiten, wo in Richtung auf die Schlüsselbeine gestrichen wird.

Dann folgen Hände, Unter- und Oberarme. Die Massagerichtung ist die Achselhöhle, die dann mit der flachen Hand ausgestrichen wird. Füße, Waden, Kniekehlen und Oberschenkel erhalten die kreisenden Bestreichungen hin zu den Leisten.

Zwischen Bauchnabel und Brustbein beginnt die Lymphdrainage der Bauchlymphknoten. Mit der flachen Hand wird in Richtung des Zwerchfells ausgestrichen. Auf dem Bauchnebel ist der Zielort der Dünndarm-Lymphknoten und zwischen Bauchnabel und Beckenkamm der Massagepunkt für die unteren dieser sogenannten „Mesenterial-Lymphknoten“. Zwischen der Beckenoberschale und der Leiste wird zur Bauchmitte hin ausgestrichen, um den Fluss der Beckenlymphknoten zu befördern.

Die manuelle Lymphdrainage entwässert geschwollene Gewebebereiche, sodass Ödeme verschwinden. Auch der Rückstau gegen das Blutgefäßsystem wird gelindert und damit Herz und Kreislauf unterstützt. Leber und Nieren können besser arbeiten, wodurch die Entgiftung angekurbelt wird. Chronische Entzündungsprozesse gehen zurück, womit Autoimmunkrankheiten und neurodegenerativen Syndromen (Alzheimer, Parkinson) vorgebeugt wird.

Zusätzlich unterstützen Bandagen, Wickel, Kompressionsstrümpfe und Bewegungstherapie. Der Patient hilft mit, indem er mehr Bewegung im Alltag einbaut. Viel Gehen, Joggen, Trampolinspringen und Drehbewegungen um den Bauch (Twist tanzen) sind angesagt. Eine hängende Körperhaltung kurbelt die Lymphdrainage ebenfalls an. Dazu kann man sich einige Minuten mit den Händen am Reck anhängen oder kopfüber mit den Kniekehlen.

Diuretische Medikamente können bei eiweißarmen Ödemen verordnet werden, Hochlagern der betroffenen Extremität hilft im leichten Stadium. Die Haut muss gut gepflegt sein und darf nicht eingeschnürt werden (weite Kleidung, offenes Schuhwerk).

Ist der Auslöser eine andere Erkrankung, muss diese zusätzlich therapiert werden, um den Lymphfluss wieder herzustellen. Bei der angeborenen Variante dienen die Maßnahmen der Linderung, eine Heilung ist kaum möglich.


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Beitragsbild: pixabay.com – LoggaWiggler

Dieser Beitrag wurde letztmalig am 12.06.2012 und 09.10.2024 aktualisiert.