Talkumpuder und Eierstockkrebs: Was Sie unbedingt wissen sollten
Es ist wieder einmal so weit: Ein alt bewährtes und unverdächtiges Produkt scheint sich als Wolf im Schafspelz zu entpuppen: Talkum und Talkumpuder.
Das Puder, das als Babypuder, Körper- und Gesichtspuder, Makeup-Produkte etc. zum Einsatz kommt, wird aus Talk hergestellt. Talk ist ein Mineral, das aus Magnesium, Silikon und Sauerstoff besteht.
Als Pulver kann es besonders gut Feuchtigkeit aufsaugen. In früheren Jahre wurden Babys noch mit Talkumpulver gepudert, um so die Haut trocken zu halten und Hautrötungen bis hin zur Windeldermatitis zu verhindern. In den frühen 1980er Jahren gab es vermehrt Berichte von erkrankten Kindern, die versehentlich den Talkumstaub eingeatmet hatten. Die heutigen Windeln machen den Einsatz von Talkum überflüssig.
In seiner natürlichen Form enthält Talk Asbest und ist in dieser Form als eine absolut sicher krebserzeugende Substanz eingeordnet. Seit den frühen 1970er Jahren ist Talk angeblich asbestfrei und damit unbedenklich, so scheint es zumindest. Bis die ersten Reporte auftauchten, die von einem möglichen Zusammenhang von einigen Krebserkrankungen und Talkumpuder sprachen.
Laut „Drugwatch“ gab es schon 1971 Berichte von Wissenschaftlern, die einen positiven Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Talkumpuder im Genitalbereich und Eierstockkrebs beobachtet hatten. Weiter beobachteten die Wissenschaftler, dass Talkpartikel bis zu den Eierstöcken vordringen und sich im umliegenden Gewebe einnisten. Die Analysen von Eierstocktumoren zeigten häufig Talkpartikel in den Tumorzellen (Ein Teil der Arbeiten sind im PubMed gelistet, aber ohne Abstract).
Im Jahr 1982 erschien diese Arbeit:
Ovarian cancer and talc: a case-control study.
Laut Aussagen dieser Studie mit über 250 Teilnehmerinnen haben Frauen, die Talkumpuder benutzen ein 2 bis 3 mal höheres Risiko für Eierstockkrebs als Frauen, die kein Puder benutzen. Interessanterweise führen die Autoren den krebserzeugenden Effekt darauf zurück, dass Talk und Asbest aus chemischer Sicht verwandt sind. Und auch die histologischen Ähnlichkeiten von Tumoren, die von Asbest erzeugt worden sind, mit den Tumoren, die ihren Ursprung Talk verdanken, sind für die Autoren ein weiterer Beleg für die krebserzeugende Wirkung von Talkumpuder.
Laut „Drugwatch“ gab es dann in den Jahren danach mehr als 20 Studien, die zu den gleichen beziehungsweise sehr ähnlichen Ergebnissen bezüglich der krebserzeugenden Wirkung von Talkumpuder kamen.
Eine der neueren Arbeiten zu diesem Thema erschien 2013:
Genital powder use and risk of ovarian cancer: a pooled analysis of 8,525 cases and 9,859 controls.
Die Autoren ermittelten hier ein leichtes bis mittelmäßig erhöhtes Risiko für Eierstockkrebs von 25 bis 40 Prozent.
Aber nicht nur die chemische Verwandtschaft von Asbest und Talk könnte die Ursache für eine krebserzeugende Wirksamkeit von Talk sein. Es gibt inzwischen Hinweise, dass Talk doch nicht so asbestfrei ist wie angepriesen:
Asbestos in commercial cosmetic talcum powder as a cause of mesothelioma in women.
Diese Arbeit „stürzt“ sich auf die Analyse eines „bestimmten Produkts“, dessen Name vielleicht wohlweislich verschwiegen wird (um die üblichen und bekannt heftigen Reaktionen des/der Hersteller zu vermeiden).
Das Produkt wird als kosmetisches Talkum-Produkt beschrieben, dass seit Jahrzehnten auf dem Markt ist. Die Autoren beobachteten bei Verstorbenen, die an einem Mesotheliom litten und in der Folge obduziert worden waren, Asbestansammlungen im Tumorgewebe. Die Autoren untersuchten das Produkt direkt und auf Ablagerungen des Produkts im Badezimmer, Ablagen, wo das Produkt gelagert wird, Filter von Klimaanlagen etc. auf asbesthaltiges Talkumpuder und wurden fündig.
Die Autoren schlossen aus ihren Beobachtungen, dass die Verstorbenen zu Lebzeiten asbesthaltige Talkpartikel eingeatmet hatten, und dass über einen langen Zeitraum, der zur Ausbildung des Mesothelioms geführt hatte und letztendlich zum Tod der Betroffenen.
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Eine brandneue Studie von 2016 ermittelte ein etwas differenzierteres Bild:
The Association Between Talc Use and Ovarian Cancer: A Retrospective Case-Control Study in Two US States.
Diese retrospektive Beobachtungsstudie mit über 2000 Nutzern von Talkum-Produkten und über 2000 Teilnehmern, die kein talkhaltiges Produkt nutzen, zeigte eine durchschnittliche Erhöhung des Risikos für Eierstockkrebs von über 30 Prozent.
Es ergaben sich erhebliche Unterschiede je nach Alter, Körpergewicht, zwischen Rauchern und Nicht-Rauchern und ob die Patientinnen eine Hormonersatztherapie erhalten hatten.
Die Autoren vermuten, dass Talk je nach individuellem Status entzündungsfördernde Prozesse einleitet, die chronisch verlaufend in einem Krebsgeschehen münden. Dies wäre gleichzeitig eine mögliche Erklärung, warum andere Studien kaum oder keine Zusammenhänge haben feststellen können.
Wissenschaftliche Resultat und die heile Welt der Produzenten
Wie kaum anders zu erwarten war, hat Johnson & Johnson das alte Mantra der eigenen Unfehlbarkeit aus dem Geräteschuppen bemüht. Wie schon so oft zelebriert wird hier wieder das Argument von der Unzuverlässigkeit wissenschaftlicher Aussagen bemüht. Auf der anderen Seite wird die gleiche Wissenschaft bemüht, um das Gegenteil zu beweisen.
Für die Praxis heißt das, dass sich nichts geändert hat. Man verschließt die Augen und geht davon aus, dass niemand etwas merkt und sich auch niemand weiter dazu äußert. Inzwischen hat sich das aber geändert. Im Jahr 2013 wurde das Urteil in dem Talkumpuder-Prozess gesprochen: Eine Frau, bei der Eierstockkrebs diagnostiziert worden war, hatte ein Verfahren angestrengt. Sie hatte über 30 Jahre täglich ein Talk-Produkt von Johnson & Johnson benutzt. Da die Firma trotz des Verdachts auf ein gewisses krebserzeugendes Potential keinen entsprechenden Warnhinweis auf die Verpackung gedruckt hatte, wurde die Firma für schuldig befunden, durch dieses Versäumnis mit Schuld an der Erkrankung zu tragen. Inzwischen sind eine Reihe von weiteren Klagen eingereicht worden beziehungsweise werden aktuell verhandelt: https://www.drugwatch.com/talcum-powder/lawsuits/
Allein in diesem Jahr musste die Firma 55 Millionen Dollar Schadensgeld an eine Klägerin zahlen, die die J&J-Produkte über 40 Jahre benutzt hatte. Bei der operativen Entfernung der Gebärmutter wurde eine Biopsie des Eierstockgewebes vorgenommen und hier Rückstände von Talk gefunden.
Eine weitere Zahlung von 72 Millionen Dollar erhielt eine andere Klägerin, die aber drei Jahre nach ihrer Diagnose an ihrem Krebsleiden verstarb. Inzwischen ist die Zahl der Kläger auf rund 1200 angestiegen. Weitere 17000 „glückliche und dankbare Kunden“ haben eine Anwaltskanzlei in Missouri kontaktiert und spielen mit dem Gedanken, Klage einzureichen.
Bei solchen Zahlen kommt fast so etwas wie Mitleid mit der armen Firma auf. Denn das sind Zahlen nur für die USA. Wie die Reaktion in Europa aussieht, da gibt es noch keine Zahlen oder Berichte zu. In der deutschen Presse gibt es nur vereinzelte Berichte über einen möglichen Zusammenhang. Es gibt sogar gute Nachrichten:
Lungenkrebs: Talkum stoppt Tumorwachstum.
Die Anwendung von Talk hier erfolgt aber in einer ganz anderen Weise als aus der Puderdose.
Ob diese möglicherweise erfolgreiche Anwendung von Talk bei einer symptomatischen Therapie von Lungenkrebs auch gleichbedeutend ist mit „krebsverhindernd“ oder zumindest „neutral“ und „ungefährlich“ ist nicht zu belegen. Ein Teil der Arbeiten, die keinen Zusammenhang gesehen haben, sind von J&J selbst durchgeführt oder in Auftrag gegeben worden – das alte Szenario wieder einmal.
2006 klassifizierte die kanadische Regierung Talk als eine „D2A-Substanz“. Diese Klassifizierung bedeutet „besonders toxisch“ und „krebserzeugend“. Der Talk-Lieferant von J&J, Imerys Talk, versah seine Lieferungen an J&J mit Warnhinweisen, unter anderem von der kanadischen Regierung, auf die Gefährlichkeit von Talk.
J&J sah aber keinen Grund, diese Warnhinweise an seine Kundschaft weiterzuleiten. Bis auf den heutigen Tag behauptet die Firma, dass ihr Produkt absolut sicher ist und dass die wissenschaftliche Beurteilung eindeutig zugunsten von Talk spricht. Auch die Webseiten der Firma verlieren nur märchenhafte Worte zu ihren Talk-Produkten, aber nicht eins, das die Verurteilung und die Zahlung wegen Unterlassung und Körperverletzung (mit Todesfolge?) erwähnt. Auch die noch 1200 laufenden Verfahren sind kein Gegenstand der Diskussion auf den Legoland-Webseiten von J&J.
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Wie hinterhältig und rücksichtslos diese Firmen sind zeigt das Beispiel von BASF (endlich mal was Deutsches). Die Firma sieht sich einem Verfahren wegen Betrugs ausgesetzt. Grund der Klage: Die Firma verkauft immer noch Talk, das mit Asbest angereichert ist. Die Anklage lautet auf verschwörerische Aktivitäten, die Beweise auf die Existenz von Asbest in den Talk-Produkten der Firma vernichten sollten, um eine behördliche Verfolgung zu verhindern.
J&J scheint eine lange Geschichte von Vergehen zu haben. Wenn es ums Geschäft geht, dann scheint die Firma kein Gesetz zu kennen. AllBusiness.com zählt J&J zu den Top 100 kriminellen Firmen der 1990er Jahre, die gezielt Unterlagen vernichtet hatte, um eine Untersuchung zu einem ihrer Produkte zu torpedieren. In den letzten drei Jahren alleine musste die Firma mehr als 5 Milliarden zahlen, um produktbezogene Klagen zu begleichen.
Ein Baby-Shampoo enthielt über lange Jahre zwei Substanzen, die als krebserzeugend galten. Es dauerte Jahre bevor J&J aufgrund von Klagen und Druck von Verbraucherverbänden die Substanzen aus dem Shampoo entfernten.
Die Liste an kriminellen Machenschaften der Firma hört hier nicht auf. Denn – sie fängt erst hier richtig an. Wer mehr über dieses Thema wissen möchte, der kann sich bei der englischen Version von Wikipedia ein Bild machen. Eigenartigerweise wird in der deutschen Version J&J von diesen Vorgängen kein Wort erwähnt. Hier werden nur die Vorzüge der Firma angepriesen, als ob die Webseite von J&J selbst eingestellt worden sei.
Fazit
J&J gehört zu den Betonköpfen der Pharmaindustrie. Die Schädlichkeit ihrer Produkte ist nichts Ungewöhnliches. Und die Reaktion auf die Entdeckung dieser Schädlichkeit ist auch Standardprozedere: Leugnen, ignorieren und dann mit selbst gebastelten Studien die rosarote Scheinwelt hoch wirksamer und unbedenklicher Produkte simulieren.
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Beitragsbild: pixabay.com – LJNovaScotia