Ältere Patienten brauchen meistens geringere Dosen ihrer Medikamente als in früheren Jahren. Der “schwächer” werdende Körper reagiert sensibler und die Pharmaka wirken stärker. Gleichzeitig können Leber und Nieren die Wirkstoffe nicht mehr so schnell abbauen und ausscheiden. So es kommt zu Überdosierungen, die gefährlich sein können.

Bekannte Beispiele dafür sind Antihypertonika (blutdrucksenkende Mittel) und blutzuckersenkende Präparate. Menschen über 70, die Antihypertonika einnehmen, leiden oft unter einem deutlich zu niedrigen Blutdruck und wundern sich, dass sie den ganzen Tag müde sind. Ein zu geringer Glukose-Wert ist bei älteren Diabetikern oft die Folge einer entsprechenden Medikation. Eine Hypoglykämie ist akut lebensgefährlich, aber auch ein Blutdruckabfall kann bedenkliche Folgen haben.

Mittel gegen Volkskrankheiten: Diabetes und Bluthochdruck

In einer groß angelegten Studie untersuchten Mediziner in den USA die Blutdruckwerte und Blutzuckerwerte älterer Patienten, die irgendwann mit entsprechenden Medikamenten eingestellt worden waren. Die Hauptfragestellung war dabei, ob die Hausärzte die Medikamenten-Dosis herabsetzten, wenn die physiologischen Werte es erforderten?

Die Ergebnisse sind relativ erschreckend: Bei zu niedrigem Blutdruck reduzierten die Hausärzte die Blutdrucksenker bei weniger als 20 % aller Patienten. Nur bei 0,5 % der Langzeit-Patienten kontrollierten sie den Blutdruck.

Ähnliche Ergebnisse zeigt die Studie bei Senioren mit Diabetes. Bei nur knapp 30 % der Patienten mit Hypoglykämie wurde die Medikation angepasst. Eine regelmäßige Überprüfung des Langzeit-Glukose-Wertes (HbA1c) veranlassten die Hausärzte in weniger als 1 % der Fälle. Und genau diesen Blutzuckerwert halte ich Diabetes-Patienten eigentlich für unverzichtbar!

Federführender Wissenschaftler der oben angeführten Studie ist Dr. Jeremy B. Sussman vom Department of Veterans Affairs Center for Clinical Management Research in Ann Arbor, Michigan. Die Ergebnisse veröffentlichte Sussman und sein Team im Oktober 2015 im Journal of the American Medical Association (JAMA).

Übrigens: Wenn Sie solche Informationen interessieren, dann fordern Sie unbedingt meinen kostenlosen Praxis-Newsletter dazu an:

Das Problem der Mehrfach-Medikationen

Ein grundsätzliches Problem besteht darin, dass ältere Patienten mehrere Medikamente einnehmen, deren Wechselwirkungen viel zu wenig berücksichtigt werden. Fast die Hälfte aller Menschen über 65 bekommen regelmäßig  bis zu 5 verschiedene Präparate, 9 % der Seniorenheimbewohner sogar über 10! Eingeschränkte Mobilität und Gangunsicherheiten sind nur die sichtbaren Folgen davon. Viele ältere Menschen erleiden Stürze, von denen sie sich schlecht wieder erholen.

Viele Demenzkranke bekommen nur deswegen Psychopharmaka, weil das Pflegepersonal zu wenig Zeit hat, sich um sie zu kümmern.

Das ergab eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Bei Menschen, die im Altersheim leben, scheint keiner so genau hinschauen zu wollen. Jüngere Patienten können ihre Interessen gegenüber dem Arzt allerdings noch vertreten. Sie können beispielsweise bei jedem Facharztbesuch einen Medikationsplan vorlegen, der dem Arzt die Einschätzung der Wechselwirkungen erleichtert.

Besonders ältere Menschen lassen sich von zwei oder mehr Ärzten behandeln. Die Medikationen sind den Kollegen nicht bekannt und so bekommen die Patienten ein Rezept doppelt und dreifach. Vielleicht sind das Mittel verschiedener Produzenten, die aber den gleichen Wirkstoff beinhalten. So wird die Tendenz zur Überdosierung bei Senioren ins Unermessliche gesteigert.

Oft wird eine Akutmedikation zur Dauermaßnahme, weil der Arzt aus Zeitmangel oder Stress vergisst, die Mittel wieder zu streichen. Das ist deswegen sehr ungünstig, weil Nebenwirkungen nicht nur mit der Dosierung, sondern auch mit der Einnahmezeit wahrscheinlicher werden.

Eine Untersuchung der AOK beziffert die Zahl der für Senioren gefährlichen Rezepte auf 12 % aller Verordnungen. Da ist es kein Wunder, dass das Deutsche Ärzteblatt schon 2018 eine Studie zitiert, nach der 7 % aller Notfall-Patienten in der klinischen Ambulanz nur aufgrund von Medikamenten-Nebenwirkungen dort waren.

Tod durch Medikamente? gar nicht so selten!

Studien aus Skandinavien und der Schweiz beziffern die Rate der Todesfälle durch Medikamente auf bis zu 5 %. Solche Schreckensmeldungen sind Anlass für die Krankenkassen, jedes Jahr einen statistischen Blick auf die Arzneimittelsicherheit zu richten. So werden laut dem Report der Barmer Rheinland-Pfalz/Saarland viele Medikamente völlig überflüssigerweise verschrieben. 2016 sollen zum Beipsiel 20 % aller Barmer-Versicherten sogenannte „Protonenpumpen-Hemmer“ gegen Magenübersäuerung ohne Diagnose erhalten haben.

Die Deutsche Seniorenliga weist darauf hin, dass Medikamentennebenwirkungen auf der Rangliste der Todesursachen auf Platz 5 (!) stehen. Die Interessenvertretung der älteren Menschen beruft sich bei dem dabei auf Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (www.deutsche-seniorenliga.de/aktuelles/presse).

Aufgrund der Problematik veröffentlichte die Seniorenliga die sogenannte Priscus-Listevon Prof. Petra Thürmann. Die dort verzeichneten Medikamente können, müssen aber nicht unbedingt, bei älteren Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Nebenwirkungen führen.

Waren es 2010 noch 83 Wirkstoffe, die für Senioren besonders riskant sind, stieg die Zahl  in der neuen Auflage 2022 auf 177.  Die Dokumentation ist nach Indikations-Gruppen, sprich „Beschwerden und Krankheiten“, geordnet. Zusätzlich genannt sind die Art der Nebenwirkungen, Alternativen und Kontra-Indikationen sowie Vorsichtsmaßnahmen durch den Arzt (PSISCUS 2.0).

Wer auf der Liste etwas findet, was riskant erscheint, kann mit dem Hausarzt sprechen. Möglicherweise kann das Medikament abgesetzt oder ein alternatives Mittel verordnet werden. Oft hilft es auch, die Dosierung nach unten anzupassen. Ein  Präparat der Priscus-Liste auf eigene Faust nicht mehr einnehmen, sollte man nicht.

Gesünder ohne Medikamente?

Angesichts solcher Zahlen und Fakten fallen mir „nur“ ein paar alte Beiträge von mir ein: Ärztestreik = weniger Tote. Sehr makaber, aber wen wundert´s?

Oder auch: Vorsicht Arzt! Von falschen Diagnosen und merkwürdigen Behandlungen

Oder: 40 Prozent der Rezepte für ältere Patienten sind fehlerhaft. Ach… es ist kaum zum aushalten.

Übrigens: Wenn Sie solche Informationen interessieren, dann fordern Sie unbedingt meinen kostenlosen Praxis-Newsletter dazu an:

Beitragsbild: pixabay.com – Pexels

Der Beitrag wurde von mir im Dezember 2015 veröffentlicht und letztmalig am 19.08.2024 aktualisiert.