Ältere Menschen sollen häufig eine Vielzahl von Medikamenten einnehmen. Oft leiden Sie nicht nur an einer, sondern an mehreren Erkrankungen gleichzeitig, die auch alle behandelt werden wollen. Laut einer Erhebung der AOK nimmt fast die Hälfte aller über 65-Jährigen mehr als fünf verschiedene Pharmaka.
Daher kommt es bei älteren Menschen häufiger zu Wechselwirkungen der verschieden Arzneistoffe untereinander. Außerdem haben ältere Menschen häufiger als junge Patienten mit unerwünschten Nebenwirkungen von Arzneimitteln zu rechnen, weil ihr Körper anders reagiert als der von jungen Menschen.
Der Stoffwechsel ist oft verlangsamt. Die Leber kann Fremdstoffe nicht mehr so schnell entgiften wie in früheren Jahren und auch die Nieren kommen mit deren Ausscheidung nicht mehr so recht nach. Dadurch werden die Wirkstoffe langsamer abgebaut und es kommt, bei gleicher Dosierung wie bei jungen Menschen zu einem höheren Wirkstoffspiegel im Körper. Gleichzeitig reagieren einige Wirkorte im Körper empfindlicher auf die Chemikalien. Dies führt dann unter Umständen auch zu stärkeren Nebenwirkungen.
Erschwerend hinzu kommen noch die Randbedingungen des Gesundheitssystems. Oft verschreibt der Arzt gegen akute Beschwerden Medikamente, die nach der Genesung wieder abgesetzt werden sollen. Doch es bleibt aus Zeitmangel häufig bei einen Dauerrezept, das eigentlich unnötig wäre. Das kommt beispielsweise bei Säureblockern viel zu oft vor.
Ein weiteres Problem ist, dass sich manche Menschen von mehreren Ärzten gleichzeitig behandeln lassen. Das führt zu Doppel- oder sogar Mehrfachverschreibungen. Der Patient merkt es vielleicht gar nicht, weil die Präparate verschiedener Hersteller identische Wirkstoffe enthalten können. Das Deutsche Ärzteblatt beklagte 2018 in einem Beitrag, dass fast 7 % aller Notfallaufnahmen im Krankenhaus auf Medikamenten-Nebenwirkungen beruhen.
Beides, die zu hohe Dosierung und eine lange Einnahmezeit erhöhen das Risiko für Nebenwirkungen. Die AOK-Studie spricht von 12 % aller Verschreibungen an Senioren, die für sie bedenkliche Mittel darstellen. Psychopharmaka werden in Altenheimen und Kliniken oft nur deshalb eingesetzt, weil die Betreuungskapazität durch den Personalschlüssel begrenzt ist.
Ein Forscherteam der Universität Witten-Herdecke hat sich unter der Leitung von Frau Prof. Petra Thürmann dieses Themas angenommen. Sie hat mit ihrem Team schon 2010 eine Liste mit 83 Wirkstoffen zusammengestellt, die für ältere Menschen ein erhöhtes Risiko darstellen. In einer Aktualisierung aus 2022 ist die Zahl der problematischen Wirkstoffe auf 177 angestiegen (PSISCUS 2.0).
In dieser Liste werden die Wirkstoffe genannt, ebenso die erhöhten Risiken. Darüber hinaus werden alternative Wirkstoffe genannt, die mit weniger Nebenwirkungen verbunden sind. Außerdem werden Vorschläge für Maßnahmen unterbreitet, die das Risiko reduzieren können z.B. Verringerung der Dosis, regelmäßige Überwachung der Blutwerte und andere regelmäßige Untersuchungen.
Frau Prof. Thürmann hatte eine erste Liste unabhängigen Kollegen vorgelegt und von diesen kommentieren lassen. Nachdem diese Kommentare eingearbeitet waren, wurde die Liste im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht. Sie soll den Kollegen als Hilfe dienen, um ihre älteren Patienten noch besser behandeln zu können und Risiken durch notwendige Medikamente so weit als möglich zu reduzieren.
Ob im Einzelfall ein Medikament herunterdosiert, gestrichen oder durch ein anderes ersetzt werden sollte, muss der Patient mit dem Arzt besprechen. Denn es muss nicht zwangsläufig sein, dass ein riskantes Medikament tatsächlich zu untragbaren Nebenwirkungen führt. Doch die Priscus-Liste bietet hier erste Anhaltspunkte, die mit dem Arzt besprochen werden können. Auf keinen Fall sollten Medikamente aus der Pricsus-Liste vom Patienten einfach weggelassen werden.
Lesen Sie bei Interessen auch meinen Beitrag Die Priscus Liste von 2023.
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Dieser Beitrag wurde im November 2010 erstellt und am 19.8.2024 aktualisiert.
Bin seit 32 Jahren als Ex.Krankenschwester taetig,in diversen Abteilungen.Noch heute koennte ich oft die Haende ueber dem Kopf zusammen schlagen.Ich befuerchte auch totale Antibiotikaresistenz bei Klienten und Suchtabhaengigkeit im Alter.
Ich habe den Link in diesem Artikel benutzt, um zur PRISCUS Liste zu gelangen, habe aber nur ein längeres Dokument vorgefunden, in dem über Schaumbad allergien berichtet wird. Ich nehme an, dass das nicht das gewünschte Dokument ist? Wo kann ich diese Liste der Medikamente, die für Ältere nicht ratsamt sind, finden?
Antwort René Gräber:
Ich habe das im Beitrag korrigiert. Die Seite Priscus.net die ursprünglich für diese Liste erstellt wurde, wurde aufgegeben und von irgendeiner “Marketingfirma” registriert, die dort jetzt ohne Impressum… naja…
Schauen Sie mal bitte in meinen Beitrag hier:
https://www.gesundheitlicheaufklaerung.de/priscus-liste-2023/
Die 66 Seiten lange Liste finden Sie unter:
https://web.archive.org/web/20230406195249/https:/www.priscus2-0.de/fileadmin/media/PRISCUS_2/PRISCUS%202_Liste_Anhang_in_DE_nicht_verfuegbare.pdf