Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) hat eine Studie[1] in Auftrag gegeben, die Verflechtungen und Tricks der Agrarlobby transparenter zu gestalten. Das Institut für Arbeit und Wissenschaft der Universität Bremen hat diese Studie federführend durchgeführt.
Aufgabe war es, die Verbindungen zwischen Agrarpolitik, Agrobusiness und Landwirtschaftsverbänden aufzuzeigen und zu „dechiffrieren“. Denn es sollte sich bald zeigen, dass die Verflechtungen so mannigfaltig und verwirrend ausfielen, dass sie nur sehr schwer zu beurteilen waren.
Studie über eine verfilzte Agrarpolitik
Die Studie kann zu dem Ergebnis, dass das untersuchte Netzwerk mit einer Reihe von personellen und institutionellen Verflechtungen „alle wesentlichen Bereiche der Agrarpolitik und des Agrobusiness abdeckt.“ Dieses Netzwerk ist das Resultat von jahrzehntelangen Bemühungen und kann somit auf etablierte Vernetzungen und Strukturen zurückblicken. Gleichzeitig garantiert der jahrzehntelange Aufbau eine unüberschaubare Komplexität dieses Gebildes.
Auffallend ist hier, dass es in diesem Netzwerk vergleichsweise wenige Schlüsselfiguren gibt, die aber gleich mehrere Schlüsselfunktionen und Schlüsselpositionen in verschiedenen Gremien, Aufsichtsräten etc. einnehmen. Dies stellt sicher, dass man sich in zentralen Knotenpunkten immer wieder trifft, um so interessengeleitete Vorgehensweisen zu koordinieren und durchzusetzen: „Die Multi- oder Vielfachfunktionäre stammen dabei in erster Linie aus den Spitzen des Deutschen Bauernverbandes und seiner Landesverbände.“
Diese Funktionsfülle bei nur wenigen Personen in entsprechenden Schlüsselpositionen ist der Stoff, aus dem Interessenskonflikte entstehen müssen. Hier stehen unternehmerische Ziele im Vordergrund und weniger die Interessen von denen, die diese Leute zu unterstützen vorgeben, also Landwirte, Viehzüchter etc.
Die zentralste der zentralen Figuren ist hier der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied. Er ist die Personalunion von 18 wichtigen Positionen in der Agrar- und Finanzwirtschaft, sowie weiteren zentralen Verbänden. Darunter befinden sich auch so „unverdächtige“ Firmen, wie Südzucker AG und R+V Allgemeine Versicherung AG, die erst einmal mit der Landwirtschaft selbst nur wenig zu tun haben.
Johannes Röring ist Mitglied des Deutschen Bundestages, Vorsitzender des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes und Inhaber von 14 weiteren Posten mit Schlüsselpositionscharakter.
Franz-Josef Holzenkamp ist Vorsitzender des Deutschen Raiffeisenverbands, war Mitglied im Deutschen Bundestag (bis 2017) und okkupiert acht Schlüsselposten im Versicherungswesen und in der Ernährungswirtschaft, unter anderem.
Albert Dess ist Mitglied im Europäischen Parlament und Mitglied in dessen Agrarausschuss. Er ist Vorstandsvorsitzender der Bayernland e.G., ein Unternehmen, welches Milliardenumsätze mit dem Handel und der Verarbeitung von Milch und Milchprodukten erwirtschaftet. Außerdem ist er Obmann im Agrarausschuss für die CDU im Bundestag.
Wie so eine Verflechtung dann aussieht, das hat die Studie grafisch so dargestellt:
Quelle: https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/agrarpolitik/26321.html – Dort finden Sie auch das Vollbild der Grafik!
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Die Verflechtungen der Agrarlobby mit Politikern
Darüber hinaus ist der Deutsche Bauernverband eng verknüpft mit anderen Verbänden, der Finanz- und Versicherungsbranche und der Ernährungsindustrie (Südzucker).
Die CDU/CSU in Deutschland und die Europäische Volkspartei geben diesen Schlüsselfiguren die entsprechende Rückendeckung, beziehungsweise teilweise sind die zuvor Genannten Mitglied dieser Parteien:
„Von den Mitgliedern im Agrarausschuss des Bundestages der CDU/CSU-Fraktion weisen 85 Prozent einen direkten Bezug zur Land- und Agrarwirtschaft auf. Über die Hälfte der Ausschussmitglieder hat zudem auf mindestens einer Organisationsebene des Bauernverbandes ein Amt übernommen“.
Wie Empfehlungen zur Gesundheit ignoriert werden
Einer dieser „Husarenstreiche“ dieses Konglomerats war die Verhinderung einer umweltgerechten Düngeverordnung. Denn auf deutschen Feldern werden Unmengen an Gülle versprüht, die von den so gedüngten Pflanzen überhaupt nicht aufgenommen werden können und als Nitrat ins Grundwasser absickern.
Im Agrarausschuss des Bundestages wurde im Jahr 2016 die Frage diskutiert, wie viel Gülle zur Düngung vertretbar ist.
Dazu wurden sogar Wissenschaftler und Experten eingeladen, um ihre wissenschaftlichen Ergebnisse zu präsentieren. Ein Professor aus der Uni Kiel errechnete einen Wert von 150 kg pro Hektar tatsächlichen Stickstoffbedarfs für zum Beispiel Mais – ein Wert, der auch von anderen Wissenschaftlern angegeben wird. Man sollte nun meinen, dass der wissenschaftliche Konsens zu dieser Frage Grund genug ist, entsprechende politische Empfehlungen beziehungsweise Verordnungen durchzusetzen.
Aber weit gefehlt! Das Gremium beschloss quasi in letzter Minute eine erlaubte Düngung durch Gülle oder Kunstdünger von 200 kg pro Hektar, also 50 kg pro Hektar mehr. Dies wiederum heißt, dass der Überschuss, der von den Pflanzen nicht aufgenommen wird, als Nitrat versickert und ins Grundwasser gelangt. Die Verseuchung des Grundwassers mit Nitraten gibt Anlass zur Sorge aufgrund eines erhöhten Risikos für Krebserkrankungen, besonders bei Kindern und Jugendlichen.
Gesetze jenseits des wissenschaftlichen Know-Hows
Kommentar des Kieler Professors:
„Es ist für einen Wissenschaftler extrem problematisch, wenn in einer Gesetzesvorlage und Gesetzesumsetzung Vereinbarungen getroffen werden, die jenseits des wissenschaftlichen Know-hows sind“.
Warum wo lassen die Politiker einen Wissenschaftler antanzen, um dann seine wissenschaftlich begründete Empfehlung zu ignorieren?
Zum Schutz der Natur und des Grundwassers?
Haben Politiker, die diese Entscheidung getroffen haben, einen größeren wissenschaftlichen Fundus als ein Kieler Professor, der sich tagtäglich mit dieser Materie auseinandersetzt?
Oder sind da einfach wirtschaftliche Interessen am Werk, die hier die neuen Zahlen diktiert haben?
Ein interessanter Film, der am 29. April 2019 von der ARD ausgestrahlt wurde und die Studie und seine Entstehung dokumentiert, lässt sich auf der Webseite der ARD noch einmal nachträglich anschauen: Video: Gekaufte Agrarpolitik? – Reportage & Dokumentation – ARD.
Fazit
Es ist kaum zu fassen, mit welchen perfiden Tricks und Machenschaften inzwischen in Deutschland Lebensmittel produziert werden. Selbst seriöse Wissenschaftler, die Empfehlungen abgeben, die auch umweltrelevanten Bezug haben, werden ignoriert zugunsten der eigenen Interessenpolitik, die nicht einmal die Interessen der eigenen Mitglieder, der Bauern im Visier hat.
Bei einer solchen Interessenpolitik und Interessenvertretung sind die Bauern wieder mal die Dummen, ohne dabei dicke Kartoffeln zu ernten. Und die Verbraucher sind die Dummen, die noch mehr Umweltbelastung zu akzeptieren haben, damit man billige Nahrungsmittel hat, die teuer bezahlt werden müssen, meist mit der eigenen Gesundheit.
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Quellen:
- [1] NABU-Studie legt Lobby-Netz des Deutschen Bauernverbands offen – NABU
- Beitragsbild: 123rf.com – Leonid Eremeychuk
[…] Ich denke, damit wird es Zeit, dass die Verbraucher beginnen, zu toben. Denn das, was die Agrarlobby sich herausnimmt, ist für uns alle lebensgefährlich. Über solche Machenschaften hatte ich schon öfters berichtet, unter anderem: Die Tricks und Machenschaften der Agrarlobby – Die Dummen: wir Verbraucher! […]
[…] Mich wundert gar nichts mehr. Es geht doch gar nicht mehr um unsere Gesundheit, sondern um den Profit und die Sicherung von Pfründen. Beste Belege: Die Tricks der Agrarlobby – Die Dummen: wir Verbraucher. […]