Blutdruckwerte im Wandel der Zeit
Ein angemessener Blutdruck ist für die reibungslose Funktion aller Organe und Gewebe notwendig, er dient der Zirkulation des Blutes und letztendlich auch der Versorgung des gesamten Organismus mit Sauerstoff und Nährstoffen.
Bis Mitte des 19. Jahrhundert ermittelte man den Blutdruck direkt durch Einführen von Messsonden in die Blutbahnen.
Diese Methode wurde durch spezielle Pulsmesser abgelöst, die eine wage Angabe der Druckverhältnisse zuließen. Zum Ende des Jahrhunderts entwickelte der italienische Arzt Riva-Rocci ein Gerät, das detaillierte Angaben zum Druck in den Gefäßen ermitteln konnte und dabei unblutig angewendet wurde.
Dies war der Prototyp des heute gebräuchlichen Blutdruck-Messgerätes. Dieser staute auf einfache Weise die Armarterie (Arteria brachialis) und verfügte über ein Quecksilberbarometer. Aus dieser Zeit stammt die heute weiterhin gebräuchliche Schreibweise RR für Blutdruck (in Anlehnung an Riva-Rocci).
Mit zunehmender Technisierung wurden die Messgeräte in ihrer Bauweise immer feiner, die Angaben immer präziser. Die heute zum Einsatz kommenden Blutdruckmessgeräte verfügen meist über eine Digitalanzeige und können neben dem Blutdruck auch den Puls bestimmen.
Die früher von Hand aufgepumpte Blutdruckmanschette wird heute automatisch gespannt. Ein Stethoskop wird dabei nicht mehr verwendet. Diese Geräte finden auch immer mehr Einsatz im Hausgebrauch und können so Menschen mit Herzproblemen bei der Ermittlung einer genauen, tagesaktuellen Medikation dienlich sein.
Zur Ermittlung des Blutdrucks wird das Blut in der Arteria brachialis (durch eine aufgepumpte Staumanschette) am Weiterfluss gehindert. Durch langsames Ablassen der Luft aus der Manschette wird der Blutweg Schritt für Schritt wieder freigegeben. Hierdurch entstehen Klopfgeräusche (= Verwirbelungen des Blutes, Korotkow-Geräusche), die sich mit einem Stethoskop hören lassen. Vereinfacht beschreibt das erste Klopfen den langsam freiwerdenden Weg, das letzte Klopfen den wieder ausgeglichenen Blutstrom im Gefäß.
Der normale Blutstrom ist vor allem abhängig von der Schlagkraft des Herzens. Dieses kontrahiert (Systole) und erschlafft (Diastole). Hierbei wird gleichzeitig Blut in den Körperkreislauf ausgestoßen und wellenförmig weitergeleitet. Herznah ist der Druck dabei am höchsten, herzfern am niedrigsten. Durch die Blutdruckmessung ist medizinisch geschultes Personal in der Lage, diese beiden Werte durch Hören der Klopfgeräusche zu bestimmen. Dabei entspricht das erste Klopfgeräusch der Systole (und somit der Kraft des Herzens), das letzte Klopfgeräusch der Diastole (= Druck im Kreislauf zwischen zwei Herzschlägen).
So wie sich auch die Messmethoden entwickelt und verändert haben, wurden auch die Normwerte des Blutdrucks den jeweiligen Epochen und Jahrzehnten angepasst. Dabei fanden neben dem Alter (Kinder haben einen wesentlich niedrigeren Blutdruck, mit zunehmendem Alter steigt dieser) und dem Geschlecht die jeweiligen Lebensstandards und Ernährungsgewohnheiten im Mittel sowie die Kultur und das Land Berücksichtigung.
Das Maß des Blutdrucks ist mm Hg (Millimeter Quecksilbersäule). In vielen europäischen Ländern gelten Werte um 120/80 mm Hg als optimal, wobei leichte Abweichungen nach oben oder unteren tolerierbar sind.
Werte unterhalb des Normbereichs werden als Hypotonie (niedriger Blutdruck), darüber als Hypertonie (Bluthochdruck) bezeichnet.
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Die Amplitude im Fokus
In den 70er Jahren sah man vor allem in der Amplitude (Wert von der Systole bis zur Diastole) eine hohe Wertigkeit in Bezug auf den Kreislauf und drohenden Erkrankungen. Je geringer die Amplitude, desto größer die Gefahr von Gefäßerkrankungen, Klappeninsuffizienzen, einem Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Die Idealwerte lagen etwas höher als heute, ein Wert um 140/80 mm Hg war als gut anzusehen. In den 80er Jahren ließ man von dieser Theorie ab, widmete sich der Systole und der Diastole, um sich in den frühen 90er Jahren erneut mit der Amplitude zu beschäftigen.
Seit Ende des letzten Jahrtausends betrachtet man wieder hauptsächlich beide Werte. In Europa wurde der Normbereich des Blutdrucks zwischen 120/80 mm Hg und 140/90 mm Hg festgesetzt. In Amerika z.B. galten Werte um 140/90 mm Hg bereits als Prähypertonie.
Dann rieten Ärzte ab Werten um 130/85 mm Hg zu einer medizinischen Abklärung (in Anlehnung an die amerikanischen JNC-VII-Richtlinien) und unterteilt die Hypertonie in mehrere Kategorien, die mit einer zunehmenden Lebensgefährdung einhergehen.
Neue Erkenntnisse führen stetig zur Überarbeitung dieser Werte. Besonders eine zunehmende Fehlernährung in Verbindung mit Übergewicht hat hierzu beigetragen. Man definiert den Bluthochdruck als Wohlstandskrankheit. Zusätzlich haben auch viele Organerkrankungen und Stoffwechselstörungen (z.B. Diabetes mellitus, Schilddrüsenerkrankungen) sowie Medikamente, Nikotinkonsum, Alkohol, Temperatur- und Klimaschwankungen Einfluss auf den Blutdruck.
Die Nationalen Versorgungsleitlinie seit 2023
Für die Hypertonie I bis III und die Isolierte Systolische Hypertonie gelten ab 2023 neue Richtlinien als Empfehlung für die ärztliche Behandlung. Diese NVL wurden neu bearbeitet durch das Ärztliche Zentrum für Qualität der Medizin (ÄZQ), das unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaften der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), der Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Bundesärztekammer beheimatet ist. Nach der neuen Definition gelten diese Grenzwerte:
Die Leitlinien weichen leicht von den zugrundeliegenden Empfehlungen der European Society of Hypertension (ESC/ESH-Guidelines for the Management of Arterial Hypertension) aus dem Jahr 2018 ab. So legt die europäische Definition einen optimalen diastolischen Wert bei 80 mm Hg fest, die NVL hingegen bei 90. Im Zuge der ESC/ESH-Festlegung schien die Problematik der Nierenschädigung durch Hypertonie stärker berücksichtigt worden zu sein. Denn eine erhöhte Diastole bedeutet vor allem für die Nieren ein besonderes Risiko. Daher betonen die europäischen Richtlinien auch eine regelmäßige Kontrolle der Nierenfunktion während der Therapie.
Laut den Empfehlungen der NVL sollen Blutdruckentgleisungen (über 180/110 mm Hg) nicht automatisch im Krankenhaus behandelt werden. Vielmehr soll nach einer Notfall-Medikation erst abgewartet werden, ob sich der Blutdruck normalisiert.
Laut der NVL soll auch eine Art ganzheitliche Sichtweise der Behandlung zugrundeliegen, die nicht nur streng auf die gemessenen Werte schaut. Beachtet werden soll auch, ob der Patient die Medikamente gut verträgt oder mit einem etwas höheren Blutdruck eher zurechtkommt als mit Dosis-Erhöhungen. Auch sollen die Zielwerte bei älteren Patienten nicht so streng gehandhabt werden. Die alte Regel „100 plus Lebensalter“ für den systolischen Wert gilt heute allerdings so nicht mehr.
Geografische Unterschiede
Im Vergleich mit anderen Ländern (ermittelt durch das Robert Koch Institut, RKI, 2005) zeigt sich, dass der durchschnittliche Blutdruck bei Probanden um das 35. Lebensjahr in Deutschland, England, Finnland, Italien, Schweden und Spanien bei 136/83 mm Hg und in den USA sowie Kanada bei 127/77 mm Hg liegt. Gleichzeitig steigt der Blutdruck mit dem Alter in europäischen Ländern höher an als in Nordamerika. Dort finden sich die höchsten Blutdruckwerte bei Menschen mit schwarzer Hautfarbe.
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Beitragsbild: pixabay.com – Myriams-Fotos
Dieser Beitrag wurde letztmalig am 13.08.2023 aktualisiert und ergänzt.