Kulmbacher Arzt rechnet mit Medizinsystem ab

  • : https://www.infranken.de/lk/ku…izinsystem-ab-art-2600637


    Er steht in einer Reihe mit so bekannten Medizinkritikern wie Eckart von Hirschhausen (TV-Moderator) und Karl Lauterbach (SPD-Politiker). Die Bücher seiner zwei Arztkollegen, "Wunder wirken Wunder" und "Die Krebsindustrie", sind Beststeller geworden. Gerd Reuthers Buch "Der betrogene Patient" ist auf dem Weg dahin. Kurz nach seinem Erscheinen wird es bereits auf Platz 39 der Spiegel-Bestsellerliste geführt.


    Der renommierte Radiologe, aufgewachsen in Hegnabrunn (Landkreis Kulmbach) und jetzt in Coburg beheimatet, hat das Gesundheitswesen grundlegend durchleuchtet. Herausgekommen ist eine Generalabrechnung mit dem Medizinbetrieb in Deutschland. Der Arzt mit über 30 Jahren Berufserfahrung deckt auf, dass die Medizin oft nicht am langfristigen Wohlergehen von Kranken ausgerichtet ist, sondern sich mehr am Gewinn von Kliniken, Ärzten und Pharmaindustrie orientiert.


    Herr Reuther, haben Sie noch viele Freunde unter den Ärzten?
    Gerd Reuther: Ja, doch. Die Reaktionen auf das Buch sind erstaunlich positiv. Ich habe mit vielen Kollegen gesprochen, die mir mindestens in Teilen recht geben. Sie sind genauso unzufrieden.


    Sie sagen, dass den meisten ärztlichen Behandlungen der Nachweis der Wirksamkeit fehlt. Gelten Sie als Nestbeschmutzer?
    Bei einem Teil der Kollegen bestimmt. Bei denen, die Behandlungen durchführen, die sie nie an sich selbst machen lassen würden. Sie befürchten eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz. Wer das Patientenwohl in den Mittelpunkt stellt, sieht meine Kritik differenzierter.


    Wann haben Sie gemerkt, dass im Gesundheitssystem etwas schiefläuft? Woher kommt Ihr Unbehagen?
    Das Unbehagen hat sich schleichend entwickelt. Im Studium merkt man wenig. Da findet keine Methodenkritik statt. Nach der Facharztausbildung fangen die Zweifel an. Man sieht, dass nicht wenige Patienten durch die Behandlung Folgeschäden davontragen. Inzwischen gibt es Untersuchungen, die belegen, dass bestenfalls zehn Prozent der medizinischen Maßnahmen sinnvoll sind. Auch Hirschhausen stellt in den Raum, dass 80 Prozent der Medizin unnötig ist.


    Sie provozieren. Sinngemäß sagen Sie: Medizin schadet oft mehr, als sie nützt.
    Ja, das stimmt. Die Diskrepanz zwischen Nutzen und Schaden ist aber auch drastisch. Mein Buch enthält Zahlen, die nur Schätzungen sein können. Denn Patientenschäden und Todesfälle, die durch medizinische Maßnahmen bedingt oder mitverursacht sind, werden in Deutschland nicht systematisch untersucht und gemeldet. Aber es gibt gesicherte Zahlen aus dem Ausland: Todesfälle durch Operationen, Medikamente und Krankenhauskeime machen etwa ein Viertel aller Todesfälle aus - das wären für Deutschland zirka 200.000 im Jahr.


    Was stört Sie am jetzigen System am meisten?
    Das ist diese mangelnde Selbstkritik. Im Deutschen Ärzteblatt ist eine Arbeit über Behandlungsfehler erschienen. Mit dem Ergebnis: Das Risiko ist gering. Es wurden allerdings ausschließlich Zahlen verwendet, wenn sich Patienten oder deren Angehörige beschwerten. Anerkannt wurden insgesamt 1845 Fälle, davon 96 Todesfälle in einem ganzen Jahr. Das ist grotesk und bedeutet: Es gibt überhaupt keine Fehlerkultur. Fehlervermeidung ist nicht gewollt.


    Kann das Medizinsystem so falsch sein, wenn zum Beispiel Herzpatienten durch einen einfachen Stent einen Herzinfarkt vermeiden konnten oder wenn durch die Polioimpfung die Kinderlähmung besiegt wurde?
    Es gibt auch sinnvolle und lebensrettende Maßnahmen - nur, das ist die Minderheit. So findet auch bei Verengungen der Herzkranzgefäße regelmäßig eine Übertherapie statt. Etwa 30 Prozent der Stents müssten nicht gesetzt werden.


    Wie müsste eine neue, bessere Medizin aussehen?
    Das Patientenwohl muss immer an erster Stelle stehen. Das ist allzu oft nicht der Fall. Derzeit gehen wirtschaftliche Interessen häufig vor. Es wird gefragt: Welche Erlöse kann man mit welchen Maßnahmen erzielen? Deshalb werden Operationen häufiger durchgeführt, weil sie besser vergütet sind. Konservative Behandlungen - etwa durch Physiotherapie - sind nicht so lukrativ. Und der medizinische Aktionismus muss aufhören. Man muss Patienten ohne Behandlung wegschicken dürfen.


    Welchen Rat können Sie Patienten geben?
    Vertraue nur dem Zweifel - das gilt als Lebensprinzip ohnehin. Patienten sind immer noch so gepolt, dass sie Informationen von Personen im weißen Kittel kaum hinterfragen. Also: Zweit- und Drittmeinung einholen, sich selbst informieren und kritisch sein. Außerdem muss man wissen: Selbstheilung und Gewöhnungseffekte sind vielfach sinnvoller als eine medizinische Behandlung. Der Körper entwickelt selbst Gegenstrategien. Immunsystem und Selbstheilungskräfte sind bei Säugetieren über Jahrmillionen erprobt und funktionieren. So hat man bei Bandscheibenvorfällen festgestellt, dass es nach zwei Jahren den nicht operierten besser geht als den operierten Patienten.


    Wie können wir alt werden und die Lebensqualität erhalten?
    Das geht nur mit Lebensstiländerung. Bewegung ist als Prävention sinnvoll und notwendig. Das weiß jeder, aber viele machen es nicht. Wir reden nicht von sportlichen Leistungen. Viel wichtiger ist die tägliche Bewegung: zu Fuß zum Supermarkt, mit dem Fahrrad zur Arbeit. Über Suchtgifte wie Zigaretten, Alkohol und auch Medikamente brauchen wir nicht zu reden. Bei der Ernährung ist entscheidend, wie viele naturbelassene oder industriell ultraverarbeitete Lebensmittel man isst. Vielfach unterschätzt wird Zucker, der in vielen Lebensmitteln versteckt ist und von der Toxizität wie Alkohol eingestuft werden müsste. Vor Umweltgiften wie der täglichen Giftdusche durch Feinstaub und Stickoxide können wir uns leider schlecht schützen.


    Sie haben vor drei Jahren den weißen Kittel an den Nagel gehängt. Hätten Sie nicht auch als Teil des Systems etwas bewirken können?
    Das habe ich vorher schon 25 Jahre lang versucht und konnte auch einiges bewegen: Ich habe als Radiologe nicht nur Bilder ausgewertet, sondern minimalinvasive Eingriffe durchgeführt, die Operationen ersetzt haben. Weniger Medizin, was sinnvoll gewesen wäre, war nicht möglich, weil nicht erwünscht. Erfüllungsgehilfe für eine falsche Medizin wollte ich nicht sein.


    Würden Sie mit dem heutigen Wissen noch mal den Arztberuf ergreifen?
    Eher nicht. Aber ich hatte Glück, dass ich als Radiologe weniger unsinnige Medizin machen musste.


    Sind von Ihnen weitere Bücher zu erwarten?
    Nein, erst mal nicht. Das Buch ist mein letzter Versuch, in der Medizin etwas zu bewegen, damit Patienten kritischer, unnötige Behandlungen reduziert und Kollegen aufgerüttelt werden.


    Der Autor
    Dr. med. Gerd Reuther, Jahrgang 1959, stammt aus Neuenmarkt-Hegnabrunn im Landkreis Kulmbach und lebt in Coburg. Nach dem Abitur am MGF-Gymnasium in Kulmbach studierte er Medizin in Erlangen. Der Radiologe war zuletzt Leitender Arzt am Klinikum in Saalfeld, zuvor ebenfalls in leitender Stellung in Wiesbaden und Wien tätig sowie Privatdozent an der Universität Wien.

    Liebe Grüße
    Avalonis

    3 Mal editiert, zuletzt von bermibs ()

  • Newsletter für Vitalstoffe von René Gräber

  • Wow.. ..
    das Beste was ich seit Langem hier gelesen habe. Ohne Werbung für irgendwelche Mittelchen! :thumbup:
    Bitte gerne mehr davon, evtl. auch eine Liste der Ärzte mit solch einer Einstellung.

    MfG



    „Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen, damit die sie nicht zertreten mit ihren Füßen und sich umwenden und euch zerreißen.“( Matthaeus 7:6)

    ,,Was du verstehst, setzt du für dich um. Was du nicht verstehst, gibst du als Ratschlag an andere weiter."( Alte Weisheit )

  • Zitat von Talisman

    , evtl. auch eine Liste der Ärzte mit solch einer Einstellung.


    Wollen wir die Werbung für die Konkurrenz nicht übertreiben :P:thumbup::D

    Liebe Grüße
    Avalonis

    Einmal editiert, zuletzt von bermibs ()

  • Es gibt schon seit längerem eine ganze Menge von Ärzten, die auf ihrem Eingangsschld den Zusatz haben 'Ich zahle mein Essen selbstˍ', das will sagen 'Ich mache mich nicht abhängig von Pharmageldern, um deren Vasall zu '


    Schade, hier bei uns in der Ecke habe ich leider noch kein solches Schild entdecken können.


    Eva

    "Primum nil nocere" - "Zuallererst nicht schaden!"
    (Hippokrates)

    2 Mal editiert, zuletzt von bermibs ()

  • Meine Ärztin für Allgemeinmedizin ist auch Arzt für Naturheilkunde. Bei ihr überwiegt die Einstellung, was die Medikationen betrifft(meine subjektive Meinung bzw. Erfahrung) mehr in Richtung Allgemeinmedizin.. Dabei hatte ich mir mehr erhofft, gerade wegen der Zusatzausbildung...( Umdenken, Einstellung usw.)
    Impfungen werden stets (!) auch bei Fieber angeboten und Diagnostiken die aus eigener Tasche zu zahlen sind .. usw...Da bei mir über das Blutbild nichts zu finden ist, ich über keine Symtome oder Beeinträchtigung klage...muss doch irgendwas zu finden sein..


    Ich zahle mein Essen selbst.


    Höre bzw. lese ich zum ersten Mal. Das finde ich ja mal richtig Klasse! :thumbup:

    MfG



    „Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen, damit die sie nicht zertreten mit ihren Füßen und sich umwenden und euch zerreißen.“( Matthaeus 7:6)

    ,,Was du verstehst, setzt du für dich um. Was du nicht verstehst, gibst du als Ratschlag an andere weiter."( Alte Weisheit )

  • Naturheilkunde Newsletter von Rene Gräber

  • Genial!


    Danke für den Artikel. Ich für mich habe jetzt eine solche Arztin gefunden.

    --
    Für jedes Problem gibt es eine Lösung, die einfach, schnell und falsch ist. 8o

  • Ist eine gute Abrechnung, letztlich aber für mich nichts neues.
    Man muss zwar sagen, dass es auch extrem schwer ist, ein Gesundheitssystem zu errichten, welches effizient funktioniert. Aber unser von der kooperatistischen Schulmedizin geprägtes "Gesundheits"system ist weit davon entfernt, halbswegs effizient (im Sinne von ursächlich heilend) zu funktionieren.
    Ich versuche, so gut wie möglich davon distanziert zu sein. Gehe meistens nur 1x im Jahr zum Arzt und mir gehts Bestens.

  • Interessanter Artikel, nur leider ist es schwierig einen Arzt mit dieser Einstellung zu finden. Für viele Ärzte ist es oftmals schwierig sich aus dem " Gesundheitssystem " zu verabschieden, da die wirtschaftliche Existenz davon abhängig ist. Solange u.a. auch die Politik keine Kehrtwende macht, u.a., dass Eltern von Kindergartenkinder Bußgeld bezahlen sollen, die ihre Kinder nicht unnötig impfen lassen wollen und zu keiner Beratung gehen. Rene hat bereits mehrere Artikel über Impfungen , die unnötig und z. T. schwerwiegende Folgen nach sich ziehen, verfasst.
    Terrencehill , Du bist an alternativen Heilmethoden interessiert . Auf der Website des Zhineng Qigong Vereins wird u.a. angeführt, welche Erkrankungen man vermeiden und wenn sie bereits vorhanden sind,günstig beeinflußen kann oder sogar heilen. Die Selbstheilungskräfte des Körpers werden aktiviert. Voraussetzung: man überwindet sich und praktiziert täglich und hat den Willen gesund zu werden. Interessant sind besonders u.a. die Berichte... Rubrik ...Lehrer ... von Luise und Andreas. Ausserdem die Erfahrungsberichte ..... 3 Videos :.. eine Seminarteilnehmerin, hatte einen Bandscheibenvorfall▪ ... OP, Reha, Verschlechterung, Rollstuhl ... berichtet von ihren Erfahrungen mit den Übungen.
    Liebe Grüße
    Christin

    5 Mal editiert, zuletzt von bermibs ()

  • Leider werden Ärzte in Deutschland im internationalen Vergleich sehr schlecht bezahlt und die Arbeitsbedingungen in vielen Krankenhäusern lassen zu wünschen übrig. Dies macht die Ärzte natürlich anfällig für “Geschäfte“ mit der Pharmaindustrie, es werden dann nicht unbedingt die besten Medikamente verschrieben sondern die für die Pharmaindustrie lukrativsten. Es ist manchmal nicht leicht, für eine bestimmte Behandlung einen Spezialisten zu finden, welcher aus eigener Überzeugung behandelt und sich nicht die Behandlung bzw. die Medikation vorschreiben lässt.

  • Naturheilkunde Newsletter von Rene Gräber

  • Meine persönliche Erfahrung ist leider die, dass viel zu schnell, viel zu viele Medikamente verschrieben werden. Es wird auch versucht sehr schnell zu operieren. Ich bin leider nicht die Einzige, die solche Erfahrungen gemacht hat, zumindest in meinem Bekanntenkreis.

  • Der Reuther ist super.Und er hat als Arzt auf gehört,weil er da nicht mitmachen wollte.

    Das komplette Interview ist auf Youtube anzusehen.

    Hab das nicht alles hier gelesen.Sorry für evtl Wiederholungen!

    Susann