Was mich interessiert, ist die Frage, mit Hilfe welcher Mechanismen DDT die Ursache für ein vermehrtes Aufkommen/Aufflammen von Polio ist.
Wenn DDT die Ursache ist, warum dann Polio?
Vielleicht kann ich Dir Deine Frage beantworten, ich versuchs zumindest mal. Ist nicht ganz so einfach.
DDT (also Dichlor diphenyl trichlorethan), wie auch seine Abbauprodukte wirken als endokrine Disruptoren (ED), DDT hat daher hormonähnliche Eigenschaften. Das mal grundsätzlich vorausgeschickt.
Unser Hormonsystem besteht ja hauptsächlich aus endokrinen Drüsen (endo=innen, krinein=ausscheiden), also Drüsenzellen, die ihre Produkte (Sekrete), wie beispielsweise Hormone oder Verdauungsenzyme, auch Speichel oder Pankreassekret, in die Blutbahn abgeben. Auch der Schweiß gehört dazu.
Endokrine Drüsen sind daher zum Beispiel Schilddrüse, Keimdrüsen, Nebennieren oder auch die Bauchspeicheldrüse. Die von ihnen produzierten Hormone wären beispielsweise Thyroxin, Östrogen, Testosteron, Cortisol oder Adrenalin. Hormone sind dabei nichts anderes als Signalmoleküle, die - übers Blut transportiert - überall im Körper Reaktionen hervorrufen können. Sie sind dabei an der Steuerung der Entwicklung, des Wachstums und der Reproduktion beteiligt. Auch unser Verhalten wird durch Hormone bestimmt. Endokrine Stoffe, auch endokrine Disruptoren (dis-rumpere= zum Erliegen bringen), können dann die natürliche, bio-chemische Wirkungsweise der Hormone stören.
Zum Beispiel können ED aufgrund von chemischer Strukturähnlichkeit zu den natürlichen Hormonen direkt an den Hormonrezeptoren in den Zellen andocken und dadurch die Wirkung der Hormone abschwächen oder auch verstärken. ED können zudem auch die Freisetzung der Hormone, deren Transport im Blut und in die Zielzellen hinein, stören. Auch stören sie den Abbau und die Ausscheidung von Hormonen, beispielsweise über die Hemmung der Enzyme, die das Hormongleichgewicht im Körper regeln.
Es kommt noch ein weitere Aspekt hinzu: Nach einer heute gängigen Hypothese, lagern sich die DDT-Moleküle an die Nervenzellmembran an und verhindern dadurch das Wiederverschließen der Natriumkanäle während der Re-Polarisation. Dazu mal kurz eine Erläuterung:
In unserem Körper fließt ständig Strom. Von einer Nervenzelle zur nächsten. Verursacht durch eine Impuls. Irgendein Ereignis löst den "Stromschlag" aus, so dass zwischen den beteilgten Nervenzellen eine elektrische Ladung transportiert wird. Von A nach B. Es verschieben sich dadurch die elektrischen Potentiale in den Nervenzellen, unterschiedlich geladene Atome wandern: Ein Kalium-Atom wandert z.B. aus der Zelle, eine Natrium-Atom wandert in die Zelle, es kommt zu einer Spannungsänderung. Damit diese Spannungsänderung nun aber nicht permanent bestehen bleibt, kommt es zu einer Re-Polarisation, der ursprüngliche Zustand wird wieder hergestellt. Sonst käme es ja zu einer Dauerreizung der Nervenzelle. Das DDT-Molekül (bzw. endokrine Disruptoren) verhindert nun aber diese Re-Polarisation.
(Ziemlich schwierig das Thema, ich weiß. Aber interessant)
Und da wären wir jetzt bei Polio.
Bei niedrigen Dosierungen von DDT kommt es zu Übererregbarkeit (klar - der "Strom" fließt ständig weiter), bei hohen Dosierungen kommt es dann aber sogar zu Lähmungen. Es liegt so gesehen eine Vergiftung vor. Im neurotoxischen Bereich.
Durch die Steigerung der Erregbarkeit der Nervenzellen werden dabei aber als erstes die Motoneuronen - also die Nervenzellen des zentralen Nervensystems, sie steuern unsere Muskulatur - geschädigt. Es kommt zunächst zu Zuckungen der Gesichtsmuskulatur, anschließend zu Krämpfen, im schlimmsten Fall zu dauerhaften Lähmungen.
Und all dies sind genau die Symptome von Poliomyelitis. Auch hier kommt es ja zu einer Schädigung der Motoneuronen, zu Krämpfen und Lähmungen.
Und somit schließt sich der Kreis.