Lebenscheck
Mit
dem ersten Schrei zeigen wir der Welt an, hier bin ich, hier bleib
ich und nun seht mal zu, wie ihr mit mir klarkommt. Wie auch
in der Wildnis wird das neue
Menschenkind gehegt und gepflegt von den Eltern und Dritten, wenn
vorhanden. Diese Bande sind das Rüstzeug für das spätere Leben. In
unseren Breiten war ein gedeihliches Aufwachsen das, was wir als
normal bezeichnen würden. Es bestanden keine Kriegszeiten, auch
keine besonderen Notzeiten und somit sind Grundvoraussetzungen
gegeben, die eine Ernährung sichern, dass man in die Gesellschaft
integriert wird und dass
man sich zu einer formidablen Person entwickeln kann. Das trifft
jedenfalls auf den ganz großen Teil der Bevölkerung zu. Richtig ist
auch, dass durch Krankheit, Unfälle oder sogar schon durch die
Totgeburt Leben beendet wird ohne die Chance des Einzelnen, sich im
Leben zu bewähren.
Mit
im Rucksack erhält man den genetischen Scheck, der den
theoretischen Ablauftermin beinhaltet. Egal wie das Leben verläuft,
doch dass man das Alter des
genetischen Ablauftermins
erreicht, ist mehr als nur unwahrscheinlich. Ganz erheblich trägt
jeder selbst dazu bei, wieviel % man wirklich
erreicht, ohne die üblichen
Begleiterscheinungen wie Krankheit, Unfall, Notzeiten und Kriege zu
berücksichtigen.
Mit
dem Heranwachsen, der Schul- und Ausbildungszeit, erhalten wir das
Rüstzeug, welches uns befähigt mit unserem Wirken an der
Gesellschaft teilzunehmen,
uns zu integrieren oder auch, um
uns abzuwenden.
Das Wissen unseres Ablebens wurde uns nicht nur in der Theorie
beigebracht, sondern wir lernten es kennen, wenn liebe Mitmenschen
sich verabschiedet haben oder auch, wenn liebgewonnene Tiere ihr
Leben beendeten. Wir erleben das täglich und wir haben gelernt, es
zu akzeptieren, dass
das Endziel des Lebens der Tod ist. Diese Tatsache allein erschreckt
uns auch nicht sonderlich, wir wissen darum. Wir
haben dazu auch Erfahrungen gesammelt.
Der
Weg ist das Ziel, ist eins der ganz großen Weisheiten, die uns mit
auf den
Weg gegeben werden. Unser Erdenleben beginnt mit dem ersten Atemzug
und endet mit dem letzten Atemzug. Wie wir die Zeit zwischen diesen
beiden Punkten verbringen ist unsere eigene Aufgabe, die allerdings
maßgeblich durch Dritte beeinflußt wird. Auf unserem Weg wird uns
dann vorgehalten, dass wir unsere Zeit nützen müssen! Diese Vokabel
„nützen“ ist sehr vielseitig und vor allem auch manipulativ. Was
heißt nützen? Wem soll unser Leben nützen? Ist
Nutzen überhaupt darstellbar? In der Regel wird Nutzen dazu
mißbraucht, dass Nutzen den Erwartungen Dritter entspricht. Davor
sollten wir uns hüten und davor sollten wir uns schützen, denn
primär kann es nicht unsere Aufgabe sein, dass wir zum Nutzen
Dritter existieren!
Natürlich sind wir Teil der Gesellschaft und natürlich gibt es für
jeden auch Aufgaben zum Nutzen der Gesellschaft, was jedoch nicht
bedeutet, dass wir nur diesen Aufgaben verpflichtet sind.
Ein
jeder muss seinen Weg finden und primär für sich selbst, seine
Familie und
seine Umwelt. Wem es nicht
gelingt, sich abzunabeln und vordergründig seinem eigenen Kompass zu
folgen, wird zum Abhängigen, dem vorgegeben wird, wie er zu leben
hat. Was das Ziel der Abhängigkeit mit Gesellschaften macht, wird
uns seit Jahren vorexerziert und diese Art des Lebens, sprich der
Unterwerfung, sollte nicht der Sinn unseres Weges sein. Der Weg ist
das Ziel sollte uns sehr kostbar sein, denn dieser Weg ist unser
ureigenster Weg, den jeder für sich gehen muss, selbstverständlich
in vertretbaren Grenzen, die Gemeinschaften sinnvollerweise in
unterschiedlichen Rechten ausweisen. Schon
in jungen Jahren wurde uns beigebracht, dass es immer Grenzen gibt,
die es zu respektieren gilt. Das ist richtig
und das ist gut so! Darüber hinaus benötigt jeder Einzelne eine
Kritikfähigkeit, die ihn vor Willkür Dritter schützt, sei es eine
Person, die Öffentlichkeit oder auch der Staat. Hier gibt es dann
auch Grenzbereiche, die durchaus unterschiedliche Meinungen
hervorrufen können. Da ist dann die Fähigkeit der Entscheidung
gefragt.
Keiner
von uns macht alles auf seinem Weg richtig, denn Erfahrungen müssen
gemacht werden. Die anschließende Bewertung hilft uns dann, das
Wesentliche zu erkennen.
Wenn
wir dann älter werden und zurückblicken, dann haben wir auch ein
Gefühl dafür, ob unser Weg zufriedenstellend war oder auch nicht.
Für den kommenden Tod ist das völlig unwichtig, aber für einen
selbst ist es befriedigend, wenn wir auf einen Weg zurückblicken,
der zwar uneben war, den wir aber auf unsere Art gemeistert haben.
Der Tod ist dann nur noch der Ablauftag, der unser Erdenleben
beendet. Es ist auch nicht wichtig, ob wir den genetischen Ablauftag
erreichen, den es so auch nur in der Theorie gibt. Wenn
wir dann glauben, das wir den mit der Geburt erhaltenen Lebensscheck
aus unserer
ureigensten Sicht sinnvoll genutzt haben, dann war „der Weg ist das
Ziel“ zutreffend. Die Frage, was kommt nach dem Tod, wird erst dann
beantwortet, wenn es sie
gibt, die Zustandsveränderung.
Der
November ist für solche Gedanken auch die Zeit, in der wir mehr zur
Ruhe kommen, die Natur abstirbt, und in der wir uns von Allerheiligen
bis zum Volkstrauertag solchen Gedanken widmen. Diese Zeit der
Besinnung trägt auch zur Erkenntnis bei, dass wir endlich sind.
Endlich im Sinne der Natur, die im Frühjahr wieder in ihrer ganzen
Pracht zum Vorschein kommt.