Als Apotheker und Nahrungsergänzungsmittelhersteller im Kleinmaßstab verfüge ich eine gewisse Expertise auf dem Gebiet und möchte auch meine Meinung zu Hilfsstoffen in Nahrungsergänzungsmittel äußern.
Natürlich ist es besser, so weit wie möglich auf Hilfsstoffe zu verzichten, denn generell gilt:
Je mehr Zutaten ein Produkt enthält, desto größer das Risiko für Personen mit Unverträglichkeiten / Allergien.
Das heißt, allein aus marketingtechnischer Sicht ist es für einen Hersteller sinnvoll, auf unnötiges zu verzichten.
Thema Deklarationspflicht
Manche Hersteller nehmen es möglicherweise durch die laschen Anforderungen von NEM nicht so genau mit der Deklarationspflicht, dann schaut die Zutatenliste natürlich übersichtlich aus. Viele wissen das nicht, aber die Zutaten der einzelnen Zutaten müssen auch nicht immer angegeben werden.
Nur weil keine Hilfsstoffe angegeben sind, bedeutet es also nicht, dass keine enthalten sind.
Per se würde ich Hilfsstoffe aber nicht verteufeln, denn meistens erfüllen sie ja einen bestimmten Zweck.
Natürlich gibt es Zutaten, die ersatzlos gestrichen werden könnten. Dazu zähle ich Farbstoffe / Aromastoffe...
Zum Thema Magnesiumstearat:
Jeder der schon einmal einen Kuchen gebacken hat, weiß was passiert, wenn man die Kuchenform nicht mit Butter (o.ä.) eingefettet hat. Der Kuchen klebt an der Form fest. Den gleichen Zweck erfüllt Mg-Stearat in der Tablettenpresse. Manche Zutaten lassen sich einfach nicht ohne pressen, ohne dass die Tablette aufbricht. Tabletten, ohne Mg-Stearat gibt es zwar, sind aber sehr selten. In Kapseln hat Mg-Stearat aber meist nichts zu suchen.
Stabilität
Ja, NEM auf den Markt zu bringen, dauert nur wenige Minuten. Die Hersteller verpflichten sich zur Selbstkontrolle, mehr passiert nicht.
Klar können Kapseln mit 5 Jahre Haltbarkeit angegeben werden. Aber ist das sinnvoll?
Wir geben unseren Kapseln maximal 1 Jahr Laufzeit, dann das ist für uns und auch den Endkunden in der Regel ausreichend.
Arzneimittelhersteller müssen für die Haltbarkeit per Rückstellmuster nachweisen, dass am Ende der Laufzeit noch 90 % Wirkstoffgehalt vorliegt.
Wie viel NEM-Hersteller machen das wohl mit ihren Kapseln nach 5 Jahren?
Stabilitätsverlängernde Hilfsstoffe
Beispielhaft anhand von D3 K2 Tropfen.
Sobald das Fläschchen geöffnet ist, fängt beim Vitamin K2 ein Zersetzungsprozess durch Oxidation an. Dies kann durch das Antioxidans Vitamin E verhindert werden. Deswegen sind unsere Tropfen über die ganze Laufzeit stabil. Jetzt ist einfach die Frage für den Endkunden, was ihm wichtiger ist. Eine stabile Zubereitung mit definiertem Gehalt oder ein Produkt welches sich zersetzt mit unklarem Gehalt.
Trägerstoffe bei Extrakten
Bei der Herstellung von Pflanzenextrakten wird der alkoholische Pflanzenauszug auf einen Trägerstoff (Saccharose, Dextrose, Lactose, Mannit) aufgesprüht und der Alkohol abgedampft. Ohne den Trägerstoff kann der Extrakt oft nicht weiterverarbeitet werden weil er z.B. verklumpt, nicht rieselfähig, nicht pressbar... ist. Hier wird oft "vergessen" den Trägerstoff in der Zutatenliste aufzuführen, die ehrlichen Hersteller haben einen Marketingnachteil.
Weitere Einsatzgebiete von Hilfsstoffen
Ein weiteres Beispiel sind unsere Vitamin D3 K2 Magnesium Kapseln. Ich verlinke hier absichtlich nicht, denn es soll keine Werbung sein.
Magnesium sorgt in der Kapsel für ein leicht alkalisches Milieu, welches innerhalb von Tagen das komplette Vitamin K2 zersetzt.
Einzige Möglichkeit für ein stabiles Produkt ist das "Abtrennen" von Vitamin K2 von Magnesium. Dies wird durch eine Mikroverkapselung erreicht. Das heißt Vitamin K2 wird auf einen Trägerstoff gesprüht. Nach dem Trocknen wird ein dünner Film auf die Partikel gesprüht. Es entsteht eine Schutzschicht, die das Vitamin K2 einkapselt.
Unterschied Kapselhüllen
Alleine die Auswahl, welche Kapselhülle verwendet wird, ist entscheidend für die Stabilität der Zutaten.
Beispielsweise ist HPMC 300x durchlässiger für Sauerstoff als die gute alte Gelatine-Kapsel, sodass oxidationsempfindliche Stoffe eigentlich mit Antioxidantien (Vitamin C oder E) geschützt werden müssten. Da dies aus marketingtechnischen Gründen uncool ist, werden sie meist einfach weggelassen. Eine vegane Alternative zu HPMC wäre übrigens Pullulan, welches durch Fermentation entsteht.
Fazit
Unnötige Hilfsstoffe haben in NEM nichts zu suchen.
Manchmal sind gar keine Hilfsstoffe gar nicht möglich, oder schlecht für die Haltbarkeit.
Manfred Magg
Fachapotheker f. Allgemeinpharmazie
Sonnen-Apotheke Heimertingen