Die gesamte Kritik an der Homöopathie basiert auf Vorstellungen, wie sie in der klassischen Pharmakologie formuliert werden, das Dosis-Wirkprinzip. Dies sagt vereinfacht ausgedrückt, dass eine steigende Dosierung mit einer steigenden Wirksamkeit verbunden ist. Für Arzneimittel gibt es da noch den therapeutischen Bereich. Und das ist der Bereich, wo die Dosierung ausreichend hoch genug ist, um noch zu wirken (untere Grenze) und die Dosierung am höchsten ist, ohne Nebenwirkungen auszulösen (obere Grenze).
Dieses Prinzip mag für die Beurteilung von Wirksamkeit und Verträglichkeit von Medikamenten nützlich sein und auch zu funktionieren. Aber für die Beurteilung dessen, wie Homöopathie funktioniert, ist dieses Gedankenmodell denkbar ungeeignet. Denn biologische Prozesse sind viel komplexer als die pharmakologische Dosis-Wirkung-„Hypothese“ suggeriert.
Wie widersprüchlich Mutter Natur mit seinen Prozessen umgeht, dafür mal einige Beispiele:
Strophanthin und andere Herzglycoside. Hier gibt es ein vollkommen widersprüchliches Dosis-Wirkprinzip. Es wird auch „hormetisches Wirkprinzip“ oder „dosisabhängiger Umkehreffekt“ genannt. Das heißt, dass bei sehr niedrigen Konzentrationen (0,1-0,5 ng/ml) die Natrium-Kalium-Pumpe am Herzen angekurbelt wird, während bei steigenden Konzentrationen diese Pumpe blockiert wird. Grafisch sieht der Verlauf wie ein auf dem Kopf stehendes U aus.
Was hat das mit der Homöopathie zu tun? Erst einmal gar nichts. Es soll nur zeigen, dass der Versuch, die Wirkung mit Hilfe der klassischen Pharmakologie zu erklären, scheitern muss.
Und auf die Frage, warum und wieso es diesen hormetischen Effekt gibt, gibt es auch keine einleuchtende Erklärung. Zumindestens ist mir keine bekannt. Und ist die fehlende Erklärung jetzt schon Grund genug zu behaupten, dass es den hormetischen Effekt nicht geben kann?
Eine weitere Merkwürdigkeit der Biochemie ist die Art und Weise, wie Konzentration- und Wirkverläufe sich bei Enzymen und deren Substraten darstellen. Auch hier gibt es keinen linearen Dosis-Wirkverlauf. Vielmehr hat man hier mit einer Steigerung im unteren Konzentrationsbereich eine viel schnellere Steigerung der Wirkung, die dann bei weiterer Steigerung der Dosierung zunehmend abflacht.
Auch hier ist auffällig, dass im unteren Konzentrationsbereich die eigentliche Wirkung stattfindet. Warum im höheren Konzentrationsbereich keine Wirkungsteigerung mehr stattfindet, kann man nur vermuten. Es mag sein, dass aufgrund der Konzentrationsdichte das Substrat nicht mehr genug Enzymmoleküle vorfindet. Auch das ist kein Beweis oder Erklärung für die Wirkung der Homöopathie. Es zeigt aber, dass es diese Sache laut klassischer Pharmakologie eigentlich nicht geben dürfte.
Das Manko meiner Erklärungen als Begründung für die Wirksamkeit der Homöopathie besteht darin, dass auch diese Beispiele nicht erklären, warum gerade bei anscheinend nichtexistenten Konzentrationen in einem Homöopathie-Präparat dennoch eine Wirksamkeit postuliert wird. Die Frage ist also: Ist es möglich, dass extrem verdünnte Lösungen mit nur wenigen Molekülen der Ausgangssubstanz biologische Reize oder Prozesse auslösen können? Gibt es dafür Beispiele in der Natur?
Ich kenne hier nur ein Beispiel (es gibt sehr wahrscheinlich noch mehrere, nur man hat nicht danach gesucht bislang). Und das ist der Hai. Es ist bekannt, dass Haie Verdünnung von Blutstropfen im Meerwasser auf einige Kilometer Entfernung orten können. Auf diese Art und Weise sind sie in der Lage unter Umgehung von Sicht und Gehör dennoch verletzte Beute über beträchtliche Entfernungen auszumachen.
Es ist nicht klar, ob die Haie diese homöopathischen Konzentrationen an Blut direkt detektieren können oder ob hier möglicherweise die morphologischen Veränderungen der Blutbestandteile, wenn sie mit Meerwasser in Berührung kommen, zu Spannungsveränderungen in den Molekülen führen, die von den Haien erfasst werden können. Über ein Organ, das Ampullae of Lorenzini genannt wird, können Haie (und auch noch eine Reihe anderer Fische) Spannungsveränderungen von nur 5 nV/cm (5/1,000,000,000) erfassen und auswerten.
Von daher wäre es denkbar, dass homöopathische Wirkungen ebenfalls auf Veränderungen von molekularen elektrischen Feldern beruhen, vergleichbar mit der nervalen Reizleitung, die ebenfalls auf einer Veränderung von Natrium- und Kaliumskonzentrationen der Nervenzellen beruht. Auch hier braucht es, um die Reizleitung aufrechtzuerhalten, keine pharmakologisch relevanten Konzentrationen, die wir jeden Tag schlucken müssten.
Sehr viele Prozesse im Organismus laufen in einem Konzentrationsbereich ab, der weit unter dem liegt, was in der klassischen Pharmakologie diskutiert wird. Sogar unsere Energiegewinnung beruht auf der Elektronentransportkette, was heißt, dass hier nur Elektronen der Schlüssel für die Aufrechterhaltung des Lebens ist. Und gegen homöopathische Konzentrationen sind Elektronen noch einmal eine Potenz homöopathischer.