Kneippkuren – Mehr als nur Wassertreten!
Vorbeugen ist besser als Heilen – so einer der ganzheitlichen Gesundheitsgedanken des als Wasserdoktor bekannten Pfarrers Sebastian Kneipp (1821-1897). Eine gesunde Lebensweise mit wohltuender Ernährung, Bewegung und Erholung im Einklang mit der Natur und den Mitmenschen hält gesund und beugt Erkrankungen wirksam vor.
Wer war Kneipp?
In seiner Jugend fällt dem Stephansrieder Kneipp ein Buch des Schweidnitzer Stadtphysikus Johann Siegmund Hahn zu Kraft und Wirkung frischen Wassers in die Hände: Kneipp behandelt Kommilitonen erfolgreich durch Güsse. Seit 1852 Kaplan in Biberach bei Augsburg, verordnet er schließlich Heißanwendungen gegen Cholera.
Sein Lohn: Eine Geldstrafe wegen Kurpfuscherei. Kneipp lässt sich nicht beirren, verfasst zahlreiche Schriften zu Themen wie gesundem Landbau und artgerechter Tierhaltung, um schließlich mit dem Mediziner Bernhuber zusammen zu arbeiten.
1886 erscheint Kneipps in 14 Sprachen übersetztes Werk „Meine Wasserkur“. 1891 gießt Kneipp seine Vorstellungen in Produkte: Gemeinsam mit Apotheker Leonhard Oberhäußer, Würzburg, ruft man die Kneipp-Werke ins Leben.
Kneipps Ruf bleibt auch dem Vatikan nicht verborgen: 1893 ernennt ihn Papst Leo XIII. zum Päpstlichen Geheimkämmerer und lässt sich selbst von Kneipp mit Waschungen behandeln. Längst ist der einstmalige Ruf als Kurpfuscher abgestreift: 1894 gründet sich der Internationale Verein Kneippscher Ärzte. Bis zuletzt erschöpft sich der Wasserdoktor in zahlreichen Vortragsreisen.
Im Sommer 1897 stirbt Kneipp nach schwerer Krankheit. Er hinterlässt Stiftungen wie das Kneippianum, das Sebastianeum und die Kneippsche Kinderheilstätte.
Wie dachte Kneipp?
Der große Erfahrungsschatz dieses Autodidakten naturheilkundlicher Diagnostik und Behandlung manifestierte sich in einer Reihe von Schriften zu gesunder Lebensweise und Heilwirkung des Wassers. Kneipp widmete sich Menschen jeden Standes, denn er begriff, was alle einte: Gesund und lange lebt nur, wer etwas dafür tut und lernt, was nützlich und heilsam ist. (Entsprechend verglich er einmal das Korsett mit einer krankmachenden Zwangsjacke.)
Schon Kneipp wusste um den krankmachenden Effekt von „fieberhaften Hasten und Drängen“ auf den Organismus, dem ein nervenberuhigender und körperstärkender Ausgleich entgegen zu setzen ist. So wird Krankheiten vorgebeugt und der Alltag gemeistert.
Eine Abhärtung des Körpers hilft, auch seelischen Belastungen stand zu halten, da körperlichen Erkrankungen seelische Entsprechungen gegenüber stehen: Ohne Heilung seelischer Leiden keine körperliche Besserung. Kneipp verstand Krankheit als gottgegebenen Anstoß zur Einkehr und zum Überdenken einer Lebensweise, die sich unter Verzicht auf sinngeleitete Spiritualität auf das rein Materielle konzentriert.
Lassen die Kräfte nach, treten depressive Erkrankungen auf. Wirkliches Glück findet nur derjenige, der anderen hilft, selbst glücklich zu werden.
Kneipp kritisierte die Vernichtung wertvoller Kräuter als Unkräuter: Die Natur galt ihm als die beste aller Apotheken; seine Wasser- und Kräuterheilkunde koste überdies fast nichts und sei für jedes Alter und Gesunde wie Kranke geeignet.
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Die Kneippkur
Eine Kneippkur besteht aus Fünf Elementen: Körper, Seele und Geist gelangen durch Übung und Training in harmonische Balance.
Die Lebensordnung (gr. diaita), ein Konzept der Antike, setzt ein permanentes Streben voraus, eine Balance zwischen gesund erhaltenden Faktoren und schwächenden Umweltanforderungen herzustellen, indem man sich um seelische Ausgeglichenheit, soziale Kompetenz und Stressresistenz bemüht.
Die Ordnungstherapie bedient sich aller regulierenden pädagogischen und naturheilkundlichen wie ärztlichen Maßnahmen, die im Dienst dieses gelungenen Lebensrhythmus stehen.
Aktive und passive Bewegungstherapien wie Bäder und Massagen müssen gut tun. Maßvolle Bewegung an frischer Luft ohne Leistungsdruck und abhärtendes Barfußgehen macht fit, gelassen und gut gelaunt. Jeder wählt die Ausgleichssportart, die ihm Freude bereitet und der beruflichen Belastungsform, Kondition und Persönlichkeit entspricht – in bequemer Kleidung. Und integriert den Sport fest in den Alltag.
Bewegungsapparat, Herz und Kreislauf, Nerven und Stoffwechsel werden harmonisiert, der Mensch gelassener, aber belastbarer – das, was Kneipp „abgehärtet“ nannte.
Im Rahmen der Hydrotherapie (Wassertherapie) bewirkt Wasser regulierende Reaktionen durch thermische, mechanische, chemische und hydroelektrische Reize. Wickel, Tautreten und Schneegehen, Waschungen und Güsse oder das bekannte Wassertreten in kniehohem Wasser stimulieren, erfrischen oder beruhigen. Kneipp selbst heilte seine Tuberkulose durch Bäder in der eiskalten Donau.
Kneipp nennt drei Kategorien der Wasserkräfte: Sanfte Reize zu Weckung der Lebenskräfte, mittlere, die diese stärken und zu starke Reize, die den Organismus schwächen. Die richtige Wasseranwendung stärkt Immunabwehr und vegetatives Nervensystem und kann als Wirkstoffträger von Heilpflanzen wie Minze von innen wie außen angewendet werden.
Kneipps Ernährungstherapie weiß: Menschen gewöhnen sich daran, Dinge zu essen, die ihnen objektiv nicht gut tun. Kneipp empfiehlt überwiegend vegetarische und ausgewogene Vollwertkost. Hierzu gehören Vollkornerzeugnisse, Frischkost, Milchprodukte, Vitamine, Mineralsalze, Fermente und Spurenelemente.
Naturbelassene, nicht denaturierte Lebensmittel werden schonend zubereitet. Genussgifte wie Nikotin sind tabu, ein gelegentliches Glas Wein erlaubt. Diese abwechslungsreiche Reduktions- und Schonkost setzt auf Geschmack und vergisst auch die soziale Komponenten nicht: Tischgespräche, Genuss und genug Zeit.
Die Phytotherapie setzt auf Heilpflanzen und Heilkräuter, die Krankheiten im Keim ersticken sollen und wählt Sorten mit milder Wirkung. So nutzt sie Kräutertee aus Anis, Kümmel und Fenchel für stillende Mütter, Linden- und Holunderblütentee gegen Erkältung, Fenchel für die Verdauung, Löwenzahn für die Drüsensekretion oder auch stärkenden Rosmarin. In der Tradition europäischer Klostergärten entstehen Badezusätze, Salben, Tinkturen, Tees und Säfte.
Deutschland besitzt zahlreiche Kneippkurorte wie Bad Wörishofen, besonderer Wirkungsort Kneipps seit 1855. Eine Kneipp-Kur über drei bis vier Wochen im Kneipp-Kurort ist angezeigt bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, orthopädischer Problematik, Abwehrschwäche oder auch vegetativer Symptomatik.
Wer mag, kann unterschiedlichste Sport- und Bewegungsangebote in der Gemeinschaft genießen – in einem von bundesweit mehreren hundert Kneipp-Vereinen.
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