Multiple Sklerose: Ursachen, Symptome, Verlauf und Therapiemöglichkeiten
Die Multiple Sklerose (MS, auch Encephalomyelitis disseminata genannt), ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, die sich im Gehirn und im Rückenmark manifestiert und durch eine Zerstörung der Myelinscheiden (Markscheiden) der Nervenfasern. Dieser, als Entmarkung oder Demyelinisation bezeichneter Prozess, schädigt die Nerven und verlangsamt die Reizleitung. Es entsteht ein ausgeprägtes, irreversibles und meist lebensverkürzendes Krankheitsbild.
Insgesamt weist die Multiple Sklerose territoriale und regionale Unterschiede auf. Die Erkrankung zählt zu den häufigsten organischen Nervenerkrankungen der westlichen Nationen, äquatorferner gelegene Bereiche zeigen dabei eine höhere Erkrankungsrate. In Deutschland leiden ca. 120.000 Menschen an der MS mit einer Inzidenz für ganz Europa von durchschnittlich 50 pro 100.000 Einwohner. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt zwischen dem 20. und 45. Lebensjahr, wobei ca. dreimal häufiger Frauen als Männer betroffen sind.
Ursachen und Entstehung
Die genaue Entstehung und die Ursachen der Erkrankung sind noch nicht geklärt. Man vermutet eine durch T-Lymphozyten vermittelte Autoimmunerkrankung, die durch zusätzliche genetische und epidemiologische Einflüsse zum Ausbruch kommt.
Erst kürzlich stellten Wissenschaftler fest, dass die aggressiven T-Lymphozyten der von MS betroffenen Personen im Lungengewebe (und möglicherweise auch in anderen Organen) verändert werden, um später die körpereigenen Nervenzellen anzugreifen (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22914092).
Dabei werden die T-Zellen in der Lunge grundlegend verändert. Sie stellen beispielsweise ihre Zellteilung ein und produzieren auch keine entzündungsfördernden Substanzen mehr – eine der Hauptaufgaben von T-Lymphozyten bei der Abwehr von Krankheitserregern. Stattdessen bilden sie auf ihrer Oberfläche kleine Zellantennen (Rezeptoren). Mit diesen ist es ihnen möglich, sich gezielt an Zellstrukturen festzuhalten und sich bei der Wanderung ins Gehirn zu orientieren.
Um ins Gehirn einzudringen, wandern die veränderten T-Zellen nun immer schneller durch die Gefäße und Luftwege der Lunge, um von hier in die benachbarten Lymphknoten, dann in die Milz und schließlich zurück in den Blutkreislauf zu gelangen.
Mittels der Rezeptoren schaffen sie es, sich an der Innenseite der Gehirngefäße festzuklammern und von dort in das Nervensystem einzuwandern. Somit überwinden die veränderten T-Zellen die Blut-Hirn-Schranke, die für sie normalerweise ein Eindringen unmöglich macht.
Weitere T-Zellen „schlummern“ in der Lunge, um dann bei einer Infektion der Atemwege oder durch sonstige Irritationen des Gewebes (beispielsweise durch Rauchen ausgelöst), ebenfalls aktiv zu werden und ins Gehirn einzudringen. Hieraus ergibt sich dann ein Schub der Krankheit.
Denn im Nervensystem angekommen werden die T-Zellen reaktiviert: Sie stellen wieder die für sie typischen Entzündungs-Mediatoren her, die die Gehirnzellen zunehmend schädigen.
Genetik und Lebensweise spielen zusammen
Eine familiäre Disposition ist als Ursache stark anzunehmen, denn zwischen zehn und 30 Prozent der Nachkommen von an MS Erkrankten weisen ebenfalls Nervenläsionen auf. Unumstritten ist jedoch, dass eine Reihe von Faktoren hinzukommen müssen, um die Erkrankung auszulösen.
Im Verdacht stehen hier Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus, Chlamydien, Borrelien sowie den Viren, die Herpes, Mumps und Röteln verursachen.
Doch auch Impfungen könnten ihren Beitrag zum Krankheitsgeschehen leisten. So enthält das Serum gegen Hepatitis B Enzyme, die einigen Proteinen in den Myelinscheiden äußerst ähnlich sind. Die Wahrscheinlichkeit, nach einer Immunisierung gegen die Leberentzündung an MS zu erkranken, ist besonders hoch, wenn die Impfung nicht wie beabsichtigt angeschlagen hat.
Eine Rolle spielen können auch große Verletzungen mit hohem Blutverlust und kleine, fast unbemerkt verlaufende Blutungen der Hirngefäße. Das scheint im Zusammenhang zu stehen mit einer erhöhten Produktion des Gerinnungs-Faktors FXII bei MS-Patienten.
Eine andere Ursache ist wohl die Art der Ernährung. Wer zu wenig Ballaststoffe verzehrt, leidet über kurz oder lang unter einer Fehlbesiedlung der Darmflora. Besonders Oligofruktose und Oligogalaktose sind Verbindungen, die für uns günstige Bakterien brauchen. Diese Keime produzieren Propionsäure, die einen harmonisierenden Einfluss auf das Immunsystem ausüben. Die gestörte Darmflora kann auch zum Leaky-Gut-Syndrom führen. Der „durchlässige Darm“ irritiert die Körperabwehr und fördert Autoimmunreaktionen.
Ungünstig ist auch ein zu hoher Anteil an tierischen Fetten bei gleichzeitigem Mangel an essenziellen Fettsäuren, die der Körper für die Bildung der Myelinscheiden braucht. Fatal wirkt sich offensichtlich auch ein Defizit an bestimmten Vitaminen und Spurenelementen aus. Auch zu viel Salz sowie Schwermetalle sind Faktoren, die die Entstehung der MS fördern. Daneben haben Wissenschaftler das Element Gadolinium als möglichen Auslöser identifiziert. Das Metall aus der Gruppe der seltenen Erden wird in der Diagnostik als Kontrast-Mittel eingesetzt.
Die Entstehung begünstigen wahrscheinlich auch andauernder physischer oder psychischer Stress, ein geschwächtes Immunsystem, starke Hormonschwankungen sowie spezielle Medikamente die Einfluss auf das Immunsystem nehmen.
Verlauf und Symptome der Erkrankung
Die Entzündungen in Gehirn und Rückenmark führen zu einer Zerstörung der Myelinscheiden. Gleichzeitig werden auch bestimmte Bereiche der Nervenfasern in Mitleidenschaft gezogen. Diese sind im gesunden Zustand für die Reizübertragung verantwortlich, führen also durch Impulse zu einer Ausführung bestimmter Tätigkeiten im Körper (als Beispiele: Heben des Arms, Schluckreflex). Die zerstörten Areale des Nervenmarks vernarben und werden hart (sklerosierte Plaques), wodurch die kontinuierliche Reizweiterleitung gestört wird. Die Plaques können sich in allen Arealen des Nervensystems ausbilden, weisen aber eine regionale Häufung im Bereich des Sehnervens, im Hirnstamm,im Kleinhirn und am Rückenmark auf, wodurch sich eindeutige MS-Symptome ausbilden, die vor allem die Bewegung (Motorik) und die Empfindung (Sensorik) betreffen.
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Die Symptome weisen ein ausgeprägtes, vielfältiges Bild auf. Dabei zeigen sich auch Anzeichen, die nicht unmittelbar der Erkrankung zuzuordnen sind. Viele Betroffene (ca. drei Viertel aller Erkrankten) klagen in der Anfangsphase über häufige Kopfschmerzen oder Sehstörungen (Neuritis nervi optici = Sehnerventzündung – Augenkrankheiten), die im Verlauf an Intensität zunehmen. Dabei entwickeln sich migräneartige Schmerzen, das Auge weist Entzündungen auf – Augenentzündungen, tränt, ist gerötet und führt im Weiteren durch Nervenlähmungen zu Doppelbildern und Gesichtsfeldeinschränkungen (Teile des Blickfeldes liegen im Dunklen).
Fast immer zeigen sich Parästhesien (Kribbeln) im Bereich der Extremitäten, besonders an den Fingern. Dazu kommt ein Taubheitsgefühl, was dazu führen kann, dass Gegenstände nicht richtig gefasst werden oder plötzlich fallen gelassen werden. Gelenke und der Hüftbereich weisen einen erhöhten Druck oder ein schmerzhaftes Spannungsgefühl auf. Die Nackenregion (Nackenschmerzen) wirkt verspannt, Bewegungen des Kopfes nach vorne lösen häufig blitzartige Stiche im Kopf und Rückenschmerzen aus, sodass Betroffene dies vermeiden und eher steif im Erscheinungsbild wirken.
Die Nervenschädigungen wirken sich auch auf die Muskulatur aus, diese wirkt angespannt aber kraftlos. Schon kurze Tätigkeiten führen rasch zur Ermüdung, durch Schonung atrophiert (baut sich ab) die Muskulatur und verstärkt so die Kraftlosigkeit.
Je nach befallenem Hirnnerven können sich Lähmungserscheinungen im Gesicht zeigen (z.B. Facialisparese). Häufig ist das Gleichgewichtsorgan gestört, sodass Gangunsicherheiten (plötzliches Stolpern, Hinfallen) und Schwindel auftreten. Bedingt durch die zentralen Störungen sind MS-Erkrankte häufig nicht in der Lage, bei einem Sturz die Hände zur Stabilisierung zu nutzen, sie fallen ungeschützt und ziehen sich vermehrt Stauchungen und Brüche zu. Ebenso können Geschmack und Geruch, der Schluckreflex (häufiges Verschlucken) oder die Sprache (verwaschene Aussprache) betroffen sein.
Die sich häufig zeigende Harninkontinenz kann sich im Verlauf auch in einen Verhalt entwickeln. Die Defäkation ist ebenfalls gestört, hauptsächlich leiden Erkrankte unter Obstipationen (Verstopfungen), eher selten zeigt sich eine Diarrhö (Durchfall). Bei nahezu der Hälfte aller Betroffenen stellen sich Erektionsproblemen und Libidoverlust ein. Die Gesamtheit der Symptome bewirkt eine psychische Veränderung, die sich durch Depressionen oder schnelle Verstimmtheit bemerkbar macht.
Weitere allgemeine Anzeichen sind Antriebslosigkeit, ein gestörter Schlaf-Wachrhythmus sowie eine hohe Infektanfälligkeit.
Der Verlauf der MS ist unterschiedlich, kann sich über Jahrzehnte hinziehen und lässt sich grob in schubförmig oder progredient unterteilen. Der typische Verlauf ist schubförmig. Hierbei kommt es phasenweise zur Ausbildung bestimmter Symptome, die sich im Verlauf (länger als 24 Stunden) aber wieder zurückbilden.
Je weiter die Erkrankung fortschreitet, desto intensiver werden die Symptome bei einem Schub. Diese bilden sich nur noch zum Teil zurück bzw. verbleiben, zusätzlich kommen neue Symptome hinzu. Meist führt dies über einen Zeitraum von Jahrzehnten zur vollständigen Bettlägerigkeit. Die Letalität liegt 20 Jahre nach Ausbruch bei ca. 20 Prozent.
Die progrediente Form ist seltener, sie weist keine Schübe auf sondern zeigt fortlaufend eine Zunahme der Symptomatik. Auch diese Form führt zum körperlichen Verfall und ist durch eine schlechtere Prognose gekennzeichnet.
Diagnose
Die Diagnostik bei der MS kann sehr umfangreich sein. Neben Anamnese und Inspektion werden alle apparativen Hilfsmittel sowie neurologische Verfahren genutzt (unter anderem Röntgen, CT, MRT, EEG). Eine Punktion des Liquors zeigt entzündliche Veränderungen.
Aufgrund neuerer Studienergebnisse hoffen Wissenschaftler, Parameter gefunden zu haben, die eine Früherkennung von Multiple Sklerose zulassen (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22888143). Denn es stellte sich heraus, dass die Immunantwort auf das Epstein-Barr-Virus bereits drei Jahre vor Ausbruch der Erkrankung stark erhöht ist. Dies spricht auch für die oben beschriebene Theorie, dass das Virus als Auslöser von Multiple Sklerose in Frage kommt.
Auch der Status der Autoantikörper gibt auf das Krankheitsgeschehen Aufschluss. Der Arzt lässt im Labor die Konzentration der Globuline, die das Immunsystem gegen den das Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG) sowie den Kalium-Kanal der Nervenzellen produziert. Diagnostisch wichtig ist auch der Titer der Immunglobuline IgA, IgG, und IgM. Mit dem ALCAT-Test (Antigen Leukocyte Cellular Antibody Test) kann festgestellt werden, ob ein Leaky-Gut-Syndrom vorliegt. Daneben können die Konzentrationen des Entzündungs-Markers EPX (Eosinophiles Protein X) und des Gerinnungs-Faktors FXII Hinweise auf MS liefern.
Auch das Vitamin-D-Level war bei den Patienten immerhin bereits zwei Jahre vor dem ersten Auftreten klarer MS-Symptome stark erniedrigt. Nach Ausbruch der Krankheit sank der Wert sogar noch weiter. Der Zusammenhang von Vitamin D und Multiple Sklerose wurde bisher noch nicht untersucht. Auch gibt es noch keine Erkenntnisse, die eine direkte Verbindung von Vitamin-D zum Epstein-Barr-Virus erklären.
Dennoch lassen diese ersten Forschungsergebnisse die Theorie zu, dass sich anhand niedriger Vitamin-D-Werte in Kombination mit der erhöhten Immunreaktion die Multiple Sklerose möglicherweise bald frühzeitig erkennen lässt.
Allerdings wurden bei der Studie lediglich die zurückliegenden Blutproben von 25 MS-Patienten mit denen von Gesunden verglichen. Untersuchungen mit mehr Probanden sind also unumgänglich, bevor sich klare Aussagen treffen lassen.
Schulmedizinische Therapie
Die schulmedizinische Therapie richtet sich nach der vorliegenden Verlaufsform. Hierbei werden unterschiedliche Medikamente verabreicht (oral, als Injektion oder Infusion). Die schubförmige Variante wird vor allem mit Kortikosteroiden (entzündungshemmend) und Immunglobulinen behandelt. Die Beta(inter)feron-Therapie soll das Fortschreiten verhindern, sie dient vor allem als Hauptansatz bei der progredienten Form.
Ziel ist es bei manchen Patienten auch, die Gerinnungsneigung des Blutes zu reduzieren und so Mikro-Hirnblutungen zu verhindern. In der Behandlung von MS ist das Medikament rHA-Infestin-4 entwickelt worden, das spezifisch den Gerinnungs-Faktor XII hemmt. Vorlage war ein Protein aus dem Darm einer Raubwanze.
Daneben ist die physikalische Therapie sehr wichtig. Um Betroffene so lange wie möglich aktiv am Leben teilnehmen lassen zu können, werden spezielle Sport- und Bewegungsübungen zur Muskelstärkung angeboten. Das Gangbild soll gebessert werden und auch der Gleichgewichtssinn wird trainiert.
Insgesamt kann die Multiple Sklerose mit Methoden der Schulmedizin nicht geheilt werden. “Schulmedizinische” Medikamente können den Verlauf verlangsamen, ihn letztendlich aber nicht aufhalten. In vereinzelten Fällen zeigt sich ein Stillstand der Erkrankung, der bis zum (meist verkürzten) Lebensende anhalten kann.
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Naturheilkundliche Maßnahmen bei Multipler Sklerose
Die Naturheilkunde setzt bei MS zunächst an der Ernährung an. Im Vordergrund steht der Verzicht auf Zucker und die Erhöhung des Anteils ballaststoffreicher Gemüse. Dadurch wird die Darmflora und mit ihr das Immunsystem unterstützt. Zusätzlich ist die Gabe von Propionsäure sowie eine Darmsanierung zu empfehlen. Tierische Fette sollten reduziert werden, mit Ausnahme von essenziellen Fettsäuren, die in Hirn enthalten sind. Dieses Lebensmittel soll die Bildung der Myelinscheiden unterstützen. Geeignet dazu ist auch die Einnahme von Calcium-Etylamino-Phosphat (EAP), das zur Produktion von Membran-Bestandteilen, der Phospholipide gebraucht wird. Die Myelinscheiden sind daneben in hohem Maße angewiesen auf die Zufuhr der Aminosäuren Glutaminsäure, Tyrosin, Alanin und Lysin. Die Schutzhüllen der Nervenfasern profitieren auch vom DNA-Bestandteil Uridinmonophosphat und der Omega-9-Fettsäure Nervonsäure. Eine besondere Funktion kommt dem Resveratrol zu, das in vielen Obstsorten (Preiselbeeren, Pflaume, Himbeeren) enthalten ist und auch als Nahrungsergänzungsmittel angeboten wird. Der sekundäre Pflanzenstoff fördert die körpereigene Produktion von Sirtuinen (Sir2 von „Silent Mating Type Information Regulation 2“), die das Wachstum neuer Axone anregen. Die direkte orale Gabe von Sirtuinen hat leider keine positiven Resultate im Tierversuch erbracht, wahrscheinlich, weil die Proteine verdaut werden.
Zu den Heilpflanzen, die entzündliche Prozesse dämpfen und die MS zurückdrängen können, zählen Kurkuma, Weihrauch, Grüner Tee, Schafgarbe, Arnika, Hirtentäschelkraut, Taubnessel, Weinraute und Leinsamen sowie Mistel und Fenchel.
Zum Repertoire der Naturheilkunde gehört bei MS auch die Supplementation der Vitamine B2, B12, C, D, E und Biotin sowie der Spurenelemente Zink, Selen, Bor und Chrom. Das Angebot besteht zudem aus den Maßnahmen der Akupunktur, Neuraltherapie und Homöopathie. Nicht zu vergessen sind der Ausgleich des Säure-Base-Haushaltes, die Darmsanierung und die Beseitigung von Störfeldern (Amalgam-Füllungen).
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Beitragsbild: 123rf.com – subbotina
Dieser Beitrag wurde am 19.04.2022 letztmalig überarbeitet und ergänzt.