Ulcus cruris – offenes Bein: Formen, Diagnose und Therapie
Die Venen des menschlichen Körpers dienen dem Rücktransport des Blutes zum Herzen. Im Bereich der Beine wird dieser Prozess durch die Muskelpumpe sowie die Venenklappen unterstützt.
Durch Anspannung der Wadenmuskulatur entsteht ein erhöhter Druck, durch die Venenklappen wird der Rückfluss verhindert. Eine Schwäche im Bereich der Beinvenen kann unter Umständen zu einem Ulcus cruris (Ulcus cruris venosum = Beingeschwür, „offenes Bein“) führen.
Dabei entwickeln sich im Verlauf schlecht heilende Wunden, die zu einer langsamen Zerstörung des Gewebes und letztlich auch des Gefäßes führen. Der Verlust der betroffenen Extremität droht.
Die jährliche Inzidenz in Deutschland liegt aktuell bei ca. 30 Erkrankungsfällen pro 100.000 Einwohner, mit zunehmender Tendenz. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, das Risiko steigt mit zunehmendem Lebensalter (junge Menschen bis zum 40. Lebensjahr sind nur sehr selten betroffen) und gipfelt um das 80. Lebensjahr.
Die das Ulcus auslösende Venenschwäche wird durch unterschiedliche Faktoren begünstigt, die zum Teil bereits genetisch veranlagt sind. In ca. zehn Prozent aller Erkrankungsfälle liegt eine Insuffizienz der Venenklappen vor, wodurch das Blut nicht nur zum Herzen fließt, sonder auch zurück laufen kann (Rückstau).
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Durch den Stau werden Zellen zerstört, das Gewebe nur noch mangelhaft mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Vor allem Thrombosen (Gerinnsel) der tiefen Beinvenen und Beckenvenen begünstigen die Entstehung eines Geschwürs am Unterschenkel. Daneben kann ein Ulcus cruris auch Folge von Verletzungen und Gerinnungsstörungen sein.
Begünstigend auf die Entstehung wirken sich Bewegungsmangel, Immobilität, sitzende oder stehende Tätigkeiten, Übergewicht, falsche Ernährung (z.B. fettreich) sowie der Genuss von Nikotin oder Alkohol aus. Und auch während einer Schwangerschaft kann es, bedingt durch die veränderte Hormonsituation, zu einer mangelhaften Durchblutung im Bereich der Beinvenen kommen. Eine sehr seltene Ursache ist das Spinaliom, ein spezieller Hautkrebs (Krebs), der das Gewebe zunehmend schädigt.
Eine weitere Sonderform des Ulcus cruris stellt die arterielle Störung im Bereich der Unterschenkel dar. Sie ist wesentlich seltener als die venöse Form und zeigt sich in Verbindung mit arteriellen Gefäßveränderungen, z.B. durch Kalkablagerungen an den Gefäßwänden (Arteriosklerose).
Arteriell bedingte Beingeschwüre sind unter anderem zu beobachten bei Menschen mit Diabetes mellitus, stetiger Hypertonie (Bluthochdruck) oder auch erhöhten Blutfetten (Hyperlipidämie). Je nach vorliegender Form kommt es zu unterschiedlichen Symptomen.
Das venöse Ulcus cruris ist gekennzeichnet durch dunkle Verfärbungen im Bereich der Unterschenkel und Fußknöchel. Der Umfang des Beines nimmt zu, es entsteht ein schmerzloses Druck- oder Spannungsgefühl.
Durch die zunehmende Schwellung beginnt das Bein sich zu schuppen, zusätzlich entstehen Rötungen (Entzündungen). Die bräunlichen Verfärbungen weisen auf die gestörte Blutzirkulation hin und führen im Verlauf zu einer Öffnung der betroffenen Stelle. Die Wunde schließt sich nicht mehr, sondern nässt und sondert zum Teil übel riechende Sekrete ab (Hinweis auf zusätzlichen Bakterienbefall).
Im Unterschied zur venösen Form führt ein arteriell bedingtes Ulcus zu Schmerzen. Das Bein wird blass oder ist bläulich verfärbt, Füße und Unterschenkel sind kalt (Blässe oder auch Kalte Füße).
Jede Belastung oder auch Hochlagerung der Extremität führt zu einer Zunahme der Beschwerden. Auch hier kommt es zu einer langsamen Zerstörung der Zellstruktur mit geöffneten, schlecht heilenden Wunden und dem weitaus höheren Risiko des drohenden Verlustes der betroffenen Region.
In vielen Fällen kommen Betroffene erst zum Arzt, wenn bereits deutlich sichtbare Anzeichen der Gefäßstörung zu erkennen sind. Daher fällt die Diagnose in den meisten Fällen leicht. Um die anschließende Behandlung zielgerichtet gestalten zu können, ist sowohl die Differenzierung (arteriell oder venös) als auch die Ursachenerforschung von besonderem Interesse.
Neben Anamnese und Inspektion erfolgen daher weitere Untersuchungs-methoden. Hierzu zählen die schonende Gefäßdarstellung durch ein spezielles Ultraschallverfahren (Duplex-Sonographie) sowie die invasive Methode der Kontrastmitteldarstellung durch Röntgen.
Zur Ermittlung einer auslösenden Erkrankung (z.B. Diabetes mellitus) werden weitere, allgemeine Untersuchungen, wie z.B. Laborauswertung, Diagnostik des Gewebewassers oder des Sekrets sowie Biopsien des betroffenen Areals durchgeführt.
Zu den konservativen Methoden der Behandlung zählen trockene Vlies- oder Kompressenverbände, die der besseren Wundheilung dienen sollen und unter Kompression angebracht werden (um eine Ansammlung von Gewebeflüssigkeit zu vermeiden und den Rückstrom venösen Blutes zu verhindern).
Mittlerweile geht man dazu über, medikamentenhaltige Gelauflagen oder feuchte Verbände zu nutzen. Diese schonen zum einen das umliegende Gewebe und verhindern ein Aufreißen neu gebildeter Zellstrukturen beim Wechsel des Verbandes. Durch das feuchte Milieu wird die Granulation gefördert, gleichzeitig können Keime (z.B. bei Bakterienbefall) beseitigt werden.
Zu den neueren Methoden zählt auch der Einsatz von Fliegenlarven, die nur das zerstörte Gewebe auffressen und durch die Absonderung ihres Speichels die Granulation fördern. Ist das Gewebe bereits stark zerstört (schwarze, nekrotische Areale), muss dieses entfernt werden.
Hierbei kann eine Kürettage (Abtragung des toten Gewebes mittel Löffel = spezielles medizinisches Instrument) oder Exzision (Herausschneiden) erfolgen. Der Mediziner wird dabei so viel Gewebe abtragen, bis es zu feinen Blutungen kommt (Zeichen der noch durchbluteten Areale), die die Wundheilung fördern sollen.
In ausgeprägten Fällen erfolgt die operative Beseitigung des Störfaktors mit Gefäßersatz, Entfernung des zerstörten Gewebes und anschließender Ausheilung (zum Teil wird der Gewebedefekt durch Hauttransplantationen gedeckt). Der operative Ersatz von Gefäßen gilt auch als Mittel der Wahl bei ausgeprägten, arteriell bedingten Geschwüren.
Je nach Konstitution des Betroffenen kann die Ausheilung mehrere Monate bis Jahre andauern. Behandelt man dabei nicht die auslösende Ursache, ist ein erneutes Auftreten jedoch vorprogrammiert.
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Beitragsbild: pixaybay.com – Victoria_Watercolor
Dieser Beitrag wurde letztmalig am 12.06.2012 aktualisiert